Predigttext: Pred 3, 1+ 5a 1Alles hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: 5Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit;
Liebe Gemeinde !
Noch einmal -versprochen das letzte Mal - eine Predigt über Martin Luther – in diesem Jahr.
Was hat es gebracht, dieses Jahr 2017 – nicht wirtschaftlich, nicht politisch betrachtet, sondern im Hause Gottes – 500 Jahre nach dem Thesenanschlag in Wittenberg.
500 Jahre Reformatuionsjubiläum-
- Was hat es gebracht - Ihnen und mir?
- Was bleibt hängen?
- Was ist versäumt worden?
- Wie geht es weiter?
Was also hat es gebracht, dieses Jahr 2017, das Jahr, das kein Jubiläumsjahr war, sondern ein Erinnerungsjahr, ein Denk mal! Jahr.
Zunächst hat es allen Arbeitsnehmern einmalig einen arbeitsfreien Tag gebracht – am 31.10. sind die Bänder in den Fabriken und die Presslufthammer auf den Baustellen stillgestanden.
Schon auch ein Zeichen, dass es einen politischen Willen gibt, der bundesweiten Gesellschaft vor Augen zu führen, dass wir eine christliche Gesellschaft sind, auch wenn nur 60 % der Bevölkerung einer christlichen Konfession angehören. Und dass diese christliche Gesellschaft eine lange Geschichte hat und diese Historie ganz zentral zur Geschichte unserer Bundesrepublik gehört.
Gleichzeitig fanden viele Veranstaltungen in Sachsen- Anhalt, in Sachsen und in Berlin statt – also durchaus auch ein Klebeband zwischen den neuen Ländern und den alten Ländern.
Dann hat dieses Jahr ein großes mediales Interesse an Luther, an der Struktur der Kirche im 16. Jahrhundert und der Gesellschaft im 16. Jahrhundert gebracht.
Wie viele Talk shows drehten sich um die Reformation und die Zeit der Reformation – über das Denken und Agieren der katholischen Kirche im 16. Jahrhundert?
Wie viele Menschen haben über den Film von Katharina von Bora, der am 22. Februar 2017 erstausgestrahlt wurde, Neues über die Zusammenhänge und Hintergründen aus dem Leben und Wirken von Martin Luther gelernt. Bei der Erstausstrahlung waren es 7, 28 Millionen Menschen.
Auch für mich waren Informationen dabei, die in keinem Kirchengeschichtsbuch stehen, in keiner Examensvorbereitung gelernt werden und doch wichtig sind:
Katharina und Martin Luther hatten sechs Kinder. Am 7. Juni 1526 kam ihr Sohn Johannes (Hans), ihm folgten am 10. Dezember 1527 die Tochter Elisabeth, die im frühen Kindesalter am 3. August 1528 starb, die Tochter Magdalena (die 1542 13 jährig in Wittenberg stirbt), später kommen noch Martin, Paul, und Margarethe.
Von sechs Kindern muss Luther zwei Kinder beerdigen – dieses Wissen hatte ich vor 2017 nicht.
Auch dass es von Luther nach seiner Hochzeit 1525 deutlich weniger heftige Streitschriften gab und er durch die Gründung seiner Familie und durch den Einfluss seiner Frau ganzheitlicher zeigt, habe ich in 2017 über Martin Luther gelernt.
Das Reformationsjubiläum habe sich verschiedenen Institutionen und Träger einiges kosten lassen:
Die EKD bezifferte auf Anfrage ihre Kosten auf etwa 30 Millionen Euro.
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM), zu der knapp 750.000 Mitglieder gehören, hat nach eigenen Angaben von 2010 bis heute insgesamt über 14 Millionen Euro ausgegeben. Mit insgesamt 80 Millionen Euro hat Sachsen-Anhalt, das sich als "Ursprungsland der Reformation" bezeichnet, im Vergleich zu Thüringen und Sachsen am meisten ausgegeben. Das Land Thüringen beziffert seine Ausgaben seit 2010 auf 60 bis 65 Millionen Euro.
Auch die Ausgaben des Landes Sachsen, das sich als "Mutterland der Reformation" versteht, beziehen sich nicht nur auf die Feierlichkeiten 2017, sondern auf die gesamte Lutherdekade. Nach eigenen Angaben wurden seit 2010 insgesamt 10,21 Millionen Euro ausgegeben;
Also Einiges an Geld ist geflossen – und dies sicherlich wohl überlegt und gerade in den neuen Ländern, die mit Martin Luther auch die Tourismusschien über Jahre hinweg anschieben wollen, wie dies in Wittenberg( ab 1512; bis 1546) und auf der Wartburg (1521) umfassend geschehen ist.
Für unsere Gemeinde hier in Tittling hat das Reformationsjubiläum u.a. einen eindrücklichen Luther Sprüche-Gallery am Gemeindefest gebracht, ebenso die Kanzelrede von Frau Grond über Katharina von Bora am 31.10 bis hin zu einem neuen Schild am frisch renovierten Glockenturm:“ Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. So wahr mir Gott helfe!“
Gerade in den festlichen Veranstaltungen vor Ort wurde deutlich, dass die interessierten und ökumenisch aufgeschlossenen katholischen Mitchristen dieses Reformationsjubiläum dazu genutzt haben, um durch Besuche in den Gottesdiensten und bei den Veranstaltungen ihre ökumenische Offenheit und ihr Wohlwollen gegenüber der so kleinen evangelischen Gemeinde vor Ort demonstriert haben.
Katholisch und Evangelisch – so mein Eindruck, sind durch dieses Reformationsjubiläumsjahr wieder ein kleines Stück weiter zusammen gerückt – und wir als Christen und wir als Gesellschaft im christlichen Abendland brauchen starke und glaubwürdige und lebendige katholische und evangelische Gemeinden.
Ein starkes Zeichen dieses angstfreien Aufeinander Zugehens war für mich auch die Zusage des Passauer Bischofs Oster, die Festpredigt am 31.10. in der Stadtpfarrkirche zu halten - und Passau war kein Einzelfall, wie die Übersicht in der SZ nach dem 31.10. deutlich aufgeführt hat. ( Bamberg / Regensburg…)
2017 – 500 Jahre Reformationsjubiläum, gefeiert und vorbereitet zehn Jahre lang mit einer sogenannten Reformationsdekade.
Und die beiden konfessionellen Vorzeigegesichter und Vordenker – Kardinal Marx auf der kath. Seite und Ratsvorsitzende Heinrich Bedford Strohm auf der evangelischen Seite haben sicher Großartiges und Engagiertes geleistet. .
Als einen "Glücksfall für das Miteinander der Kirchen" hat BR-Intendant Ulrich Wilhelm in seiner Laudatio Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx bezeichnet. Die beiden Spitzenvertreter der evangelischen und katholischen Kirche sind mit dem diesjährigen Ökumene-Preis der Katholischen Akademie in Bayern ausgezeichnet worden für eine ökumenische Gestaltung des zurückliegenden Reformations-Gedenkjahres. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro verbunden. In der Begründung der Jury heißt es, neben Buß- und Bittgottesdiensten, Tagungen, Besuchen und Begegnungen hätten sich vor allem die gemeinsamen Gebete eingeprägt. Durch gemeinsame Auftritte seien die höchsten Repräsentanten der beiden großen Kirchen in Deutschland immer mehr zu "ökumenischen Symbolgestalten" geworden.
Und hier setzt mein – innerkirchlicher - Kritikpunkt ein - , denn ich wünschte mir, es wäre noch mehr drin gewesen an verbindendem, Stärkendem und Zusammenwachsendem.
Im Klartext: ich vermute , dass nach 500 Jahren die beiden konfessionellen Kirchen in ihren Strukturen und auch Machtgefügen, in der Theologie und in der Tradition so unterschiedlich gewachsen sind, dass man sie ohne Verbiegen und Zerbrechen nicht zusammenbringen kann, in der Wirtschaft würde man sagen nicht fusionieren kann oder freundschaftlich übernehmen kann.
Das muss auch nicht sein.
Was ein muss, ist der gegenseitige, erlaubte, erwünschte und getätige Besuch beim Abendmahl, denn Jesus war nicht evangelisch – trotz Reformationsjubiläum; Jesus war nicht katholisch – trotz Papst Franziskus. Jesus war nicht einmal christlich. Aber Jesus ist der Eckstein und Grundstein des christlichen Glaubens – solus Christus.
Und Jesus Christus hat das letzte Abendmahl gefeiert, damit Christen auch noch nach Jahrtausenden an dieses letzte Abendmahl und die sakramentale Verbindung mit ihm denken und sich dadurch im Band des Glaubens stärken.
Viele evangelische Christen gehen selbstverständlich vor Ort im katholischen Gottesdienst zur Kommunion, bekommen sie selbstverständlich wie umgekehrt alles katholische Christen immer bei uns zum Abendmahl eingeladen sind.
Als evangelische Pfarrer habe ich mich hier in unserem Raum stets zurückgehalten, um den kath. Priester nicht in Schwierigkeiten zu bringen.
Und hier hätte sich was mutig ändern können, die Zeit wäre reif. Gerade im Jahr des Reformationsjubiläums, gerade unter der Papstzeit von Franziskus, gerade, wenn Marx und Bedford Strohm freundschaftlich miteinander verbunden sind, zusammen essen und trinken und gemeinsam eine Delegationsreise ins Heilige Land machen.
Die Gemeinschaft im christlichen Glauben, die Gemeinschaft am gemeinsamen Wort, der Bibel ,darf nicht aufhören in der Gemeinschaft am Tisch des Herrn.
Predigttext: Pred 3, 1+ 5a 1Alles hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: 5Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit;
Thomas Plesch 29.12.2017 |