Bundestagswahl und Bürgermeisterwahl Tittling 
Predigt am 24.09.2017

 
 

Gibt es eine christliche Pflicht, zur Wahl zu gehen?

Du hast die Qual der Wahl, sagt man gerne, wenn ein Mensch sich zwischen mehreren Alternativen entscheiden muss. Relativ leicht ist es noch, liebe Hörerinnen und Hörer, wenn man überlegt, was man essen möchte – obwohl manche auch schon beim Blick auf eine
Speisekarte oder in den Kühlschrank leichte Verzweiflung befällt.

Ich denke an eine Filmszene – eine junge Frau steht verzweifelt vor einem übervollen Kleiderschrank – und dann sagt sie:
“ So viele Klamotten und nichts zum Anziehen…““

Die Qual der Wahl.
Heute haben wir die Wahl, für die Bürger in Tittling sogar zwei Wahlen:  Bundestag und Bürgermeisteramt.
Wir entscheiden heute alle mit über die Zusammensetzung des Bundestages und die künftige Regierung der Bundesrepublik.
Die Qual der Wahl? Nein, es ist eher ein Geschenk, auswählen zu dürfen. Ich darf über mein Leben entscheiden, ich darf mitentscheiden über die Politik unserer Gesellschaft.

Christen sind gewohnt zu denken und Verantwortung zu übernehmen.
Und so ist es vielleicht sogar so etwas wie eine christliche Pflicht, sich heute an der Wahl aktiv zu beteiligen, sich demokratisch   einzubringen, damit die weltliche Ordnung in unserem christlich geprägten Land auf breiten Füßen steht.

Sowohl bei Jesus als auch bei Paulus entdecke ich deutliche Hinweise darauf, dass einem die weltliche Ordnung, die Politik nicht gleichgültig sein kann. Übrigens auch beim Evangelisten Lukas, den wir immer im Advent und an Weihnachten hören.
In der Zeit als Cyrenius Statthalter war und Augustus Kaiser in Rom….

Der christliche Glaube spielt sich nicht allein irgendwo in einer Kirchengemeinde ab und ist keine Sonntagsreligion.
Nein, wer an den Gott glaubt, der in die Welt gekommen und Mensch geworden ist, der wird sich auch dieser Welt mit allem, was in ihr ist und geschieht, sehr aufmerksam zuwenden.

Wolfgang Huber, der ehemalige oberste evangelische Bischof, war mein Theologieprofessor in Heidelberg. In dieser Zeit hat er das Essay geschrieben: „Protestantismus und Protest“
1985 war er Kirchentagspräsident des DEKT 85 in Düsseldorf und hat ins einer Schlussrede gesagt: Die Politik muss mit den Christen rechnen – und sie kann mit den Christen rechnen.

Wenn wir davon ausgehen, dass Gott der Schöpfer dieser Erde ist, die er uns zur verantwortungsvollen Pflege gegeben hat, dann haben alle Christen eine ökologische Verantwortung – Bewahrung der Schöpfung – für unsere Kinder und Kindeskinder und auch für den himmlischen Vater.

Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen – ja Frieden stiften und Frieden bewahren sehe ich auch als eine zentrale politisch – christliche Aufgabe.
Und mit dem „Frieden“ sehe ich sowohl die Außenposition – Frieden zwischen den Staaten und weltweit.
Und mich beunruhigt es, wenn der mächtige amerikanische Präsident, der bei seiner Vereidigung gleich auf zwei Bibeln seinen Amtseid abgelegt hat, mit markigen und provozierenden Worten auf die Provokationen des nordkoreanischen Präsidenten reagiert.
Christen versuchen Frieden zu stiften und nicht zu zündeln.

Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen –
Und diese Botschaft gilt auch nach innen – der innere Friede ist der große Bruder von der Zufriedenheit.
Christenmenschen kommen mitunter auch aus eine Kultur der Dankbarkeit – so wie wir nächsten Sonntag Erntedankfest feiern und bei jedem Abendgebet dankbar dem Herrn berichten können, wo wir Behütung und Begleitung erfahren haben.

Der christliche Glaube saust nicht blind an der Realität vorbei. In ihm wird irdische Wirklichkeit mit Höhen und Tiefen wahrgenommen und für wichtig erklärt.
Jesus, Paulus und Lukas plädieren dafür, die politischen Bedingungen, unter denen wir leben, ernst zu nehmen

Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, respektiert die Obrigkeit, sie ist von Gott, so schreibt Paulus im Brief an die Römer im Kapitel 13.
Für Paulus ist das Reich unter der Herrschaft des Augustus ein Rechtssystem, das ihn schützt. Er als römischer Bürger sieht im Imperium rechtsstaatliche Züge und viele Menschen jener Zeit erlebten eine lang ersehnte Friedenszeit. Staatliche Gewalt dient dem Leben in Frieden und Gemeinschaft, so sieht er es. Ein Gemeinwesen braucht Ordnung, um existieren zu können.
Dazu gehört Unterordnung und Respekt für das vorhandene System.

Gott ist Mensch geworden, hat sich aus freien Stücken vom Jenseits ins Diesseits begeben, um uns nahe zu kommen.
Unsere Aufgabe ist es, ihm nachzufolgen, ganz Mensch zu werden und auf unser Drumherum in Gesellschaft und Politik zu achten, damit es den Menschen gut geht, sie vom himmlischen Heil schon etwas auf Erden spüren.
Dazu gehört, den Respekt vor denen zu bewahren, die öffentliche Ämter bekleiden.
Wir alle leben hier in Niederbayern, eine Ecke in der Bundesrepublik, in der Kirche und christliche Werte dank der traditionellen Hochschätzung der katholischen Kirche eine sehr gesellschaftsrelevante Rolle spielen.

Und wenn man Wert legt auf die Nähe zur Kirche, ist auch eine Nähe zu den Werten der Kirche, besser zu den Werten des christlichen Glaubens gegeben.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich allen danken, die sich ehrenamtlich oder hauptamtlich im politischen Tagesgeschäft in unserer Region engagieren – als Gemeinderat oder Marktrat, als Bürgermeister oder im Kreistag oder gar als Landrat.
Und ich glaube sagen zu können, keines dieser Ämter ist vergnügungssteuerpflichtig.
Und ich wünschte mir, dass wir noch viel mehr Evangelische aktive Christen in den Gemeinderäten und politischen Ämter haben würden.

Politisches Handeln benötigt Wissen und Gewissen. Wir sollen uns mit hellwachem Geist und offenem Herzen für Menschen engagieren, die uns hierzulande und weltweit anvertraut sind. Wir dürfen uns nicht faul zurücklehnen und geringschätzig auf die schauen, die politische Arbeit machen. Sie brauchen unser Vertrauen, unsere konstruktive Kritik, unser achtsames Mitdenken und sorgfältiges Mittun, auch unser fürbittendes Gebet.

Es gab und gibt den Mut, aus Gewissensgründen Obrigkeit daran zu messen, ob sie dem Wohl der Menschen dient. Mit einer solchen Haltung steht Luther vor dem Reichstag in Worms – und unsere Steine an der Fürbittschale erinnern an diese Sternstunde des Gewissens: „Hier steh ich – ich kann nicht anders- Gott helfe mir“ dies soll Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms gesagt haben.

Abschließend schlage ich noch einen Bogen zu unserer Glocke im Kirchturm, 1993 angebracht – und versehen mit der Jahreslosung
1993: „Man muss Gott mehr gehorchen als dem Menschen“ (Apg. 5,29)

 Obrigkeit, staatliche Gewalt, politisches Agieren muss sich daran messen lassen, ob sie dem Menschen dient. Wo das nicht geschieht, gilt das Wort aus der Apostelgeschichte: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“.
Bitte gehen Sie heute deswegen zur Wahl! Denn:

   Politisches Engagement und christliche Ethik, christliche Glaube gehören zusammen.
   
  Thomas Plesch am 23.09.2017