Das Hohelied der Liebe
Predigt am 07. Februar 2016 (Korinther 13)

 
 

07.02.16 Tittling I Korinther 13
Liebe Gemeinde !
Die Liebe – Sehnsuchtsort – Herzensort – stets die gleiche und immer wieder eine andere.
Und die Liebe spielt in der Bibel eine herausragende Rolle – hören wir hinein – zum Beispiel in
das sogenannte Hohe Lied der Liebe aus dem I. Korinther 13.
Ich lese nun I. Korinther 13 vor und bitte, nach jedem Abschnitt ein kurzes Lied in lateinischer Sprache zu singen: „Ubi caritas et amor Deus ibi est.“ ( EG 651)

Das Hohelied der Liebe

1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.
3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
„Ubi caritas et amor deus ibi est.“
4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,
5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;
7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.
„Ubi caritas et amor deus ibi est.“
8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.
9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.
10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.
11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.
12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.
„Ubi caritas et amor deus ibi est.“
13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen
„Ubi caritas et amor deus ibi est.“
Ein Hoch auf die Liebe ! Die Liebe ist die Grundmelodie dieses Liedes.
Überschwänglich, wie ein Verliebter, dichtet Paulus eine Hymne auf die Liebe. Und – wie das eben so ist bei Verliebten- Paulus scheint die rosarote Brille aufzuhaben und redet in Superlativen:
Sie ist die Schönste! Sie ist die Beste! Keine ist so wie sie. Ohne sie kann ich, will ich nicht leben! Die Liebe ist unsterblich.
Vielleicht ist dieser I Korinther 13 mit seinem Hochgesang auf die Liebe eine noch größere glaubensbetonte Leistung von Paulus als das Bestehen auf der Gnade Gottes ( Römer 3).
Und dann gipfelt das Hoch auf die Liebe in jenem letzten Vers: Glaube – Liebe – Hoffnung – diese drei – aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
Es geht um die Liebe ; um das große Thema aller Menschen zu allen Zeiten.
Liebe – in unserer deutschen Sprache sind wir da etwas verarmt und reduziert, denn wir haben für die verschiedenen Dimensionen von Liebe immer nur das eine Wort: Liebe
Die Lateiner sind da z.B. vielfältiger bestückt: Liebe kann „amor“ heißen und meint dann die emotionale, herzliche, mitunter auch sexuelle Liebe
Liebe kann „ caritas“ heißen und meint dann die soziale, fürsorgliche, teilende Liebe oder sogar die Nächstenliebe.
Ist von der Liebe Gottes die Rede verwendet der Lateiner das Wort „agape“.
Und ist Liebe in der Dimension von Dankbarkeit gemeint, benutzt man das Wort „gratia“ .
Liebe also in vier Dimensionen – so viele wie ein Stuhl Beine hat. Deswegen spreche ich gerne vom Stuhlbeinmodell der Liebe; die Liebe, der große Sehnsuchtsplatz in unserem Herzen steht also auf den vier Stuhlbeinen der a) körperlichen, erotischen Liebe b) der sozialen, empathischen Nächstenliebe, c) der spirituellen Gottesliebe und d) der dankbaren Liebe, der Beziehungsliebe.
Und genau über diesen Zauber der vielschichtigen Liebe verfasst der Apostel Paulus einen Klassiker der Weltliteratur in seinem Brief an die christliche Gemeinde von Korinth.

Diese drei werden die drei christlichen Tugenden:
Glaube – versehen mit dem Symbol des Ankers – Glaube gibt Halt
Hoffnung – versehen mit dem Symbol des Kreuzes – Hoffnung geht durch Leid und Ungerechtigkeit hindurch
Liebe – versehen mit dem Symbol des Herzens – Liebe kann Herzschlag für Herzschlag gegeben und empfangen werden – ca. 100.000 x am Tag.
Diese drei Glaube –Liebe- Hoffnung werden dann zu den christlichen Tugenden. Im Gegensatz zu den zehn Geboten aus dem Alten Testament sind diese drei Tugenden keine konkreten Handlungsvorschriften, sondern von Christen verlangte innere Einstellungen. Diese christlichen Tugenden werden auch „göttliche“ Tugenden genannt, weil sie von Gott in die Seele der Gläubigen eingegossen werden.
Ich verstehe das so, dass die Menschen, die Glaube, Liebe, Hoffnung in ihrem Leben leben und kultivieren in gewisser Weise von Gott beschenkt sind. Denn die Haltung von Glaube, Liebe und Hoffnung kann ich nicht erarbeiten oder kaufen, sondern sie sind in gewissem Maße in mir , in meiner Seele, in meinem Persönlichkeitsprofil grundlegend angelegt.-
Zu diesen drei göttlichen, christlichen Tugenden kommen die die vier antiken Kardinaltugenden dazu, die menschliche Qualität haben, die ich mir also erarbeiten kann: Klugheit – Tapferkeit – Besonnenheit und Gerechtigkeit.

Julius Schnorr von Carolsfeld: Glaube, Liebe, Hoffnung

Doch bleiben wir bei dem zentralen Wert dieses Hohen Liedes von Paulus: Die Liebe
In der Tat – Christlicher Glaube, christliche Ethik, christliches leben ist ohne Liebe nicht denkbar. Die Liebe ist auch die Antwort  von Jesus auf die provozierende Frage der Pharisäer nach dem Höchsten Gebot:
35Und einer von ihnen, ein Schriftgelehrter, versuchte ihn und fragte: 36Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz? 37Jesus aber antwortete ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt« (5.Mose 6,5). 38Dies ist das höchste und größte Gebot. 39Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3.Mose 19,18).  (Matthäus 22, 35-39)
Die Liebe zu Gott (agape) und die Liebe zu unserem Nächsten ( caritas) ist also um Jesu willen das wichtigste, das größte, das bedeutendste Gebot.
Und das steht schon im Alten Testament und wird von Jesus so verknüpft, dass Gottesliebe und Nächstenliebe gleichranging und gleichwichtig sind.
Von diesem Gedanken ausgehend ist mir im Laufe der Jahre die Erkenntnis gekommen, dass die Liebe in der Tat ewig währt. Ich meine damit, dass die Liebe die ewige Währung ist. Nichts währt ewiger als die Sehnsucht der Menschen, zu lieben und geliebt zu werden. Und die Liebe ist die Währung Gottes.
Demgegenüber steht die Währung der Welt; die Währung von $ und €; die Währung von Renminbi (Währung Chinas; China ist das bevölkerungsreichste Land der Erde mit ca. 1,4 Milliarden Menschen) und Yen (Währung Japans; der Yen zählt als die drittwichtigste Währung der Welt). Diese auf Papier gedruckten Geldscheine scheinen wertvoll. Man kann sich damit fast alles kaufen – auch die Liebe. Ist die Liebe aber gekauft, ist es keine Liebe mehr.
Und überall dort, wo Menschen  sich lieben, in all diesen unterschiedlichen Facetten von erotischer Liebe, von fürsorglicher Liebe, von spiritueller Liebe, von dankbarer Liebe, überall dort, ist auch der liebe Gott. Denn Gott freut sich, wenn Menschen sich lieben, liebevoll miteinander umgehen.
Gott hat gleichsam die Liebe erfunden und „freut“ sich, wenn die Liebe Tag für Tag neu gefunden oder erlebt wird. „Denn Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ ( I. Joh. 4, 16)
In Gottes Namen - Amen
Thomas Plesch am 05.02.2016

Viele Grüße und vielen Dank

Thomas