Liebe Gemeinde !
I. Hinführung
Wie kann ich mir GOTT vorstellen?
Welche Eigenschaften hat GOTT?
Wie beschreibt Jesus seinen himmlischen Vater?
Auf diese zentralen Fragen finden wir weiterführende Antworten in einem der subjektiv schönsten und herzerweichendsten Geschichten im NT- in der sog. Gleichniserzählung vom „Verlorenen Sohn“ oder - wie das Gleichnis neuerdings manchmal überschrieben wird – im Gleichnis „Vom barmherzigen Vater“. Dem Gleichnis vom verlorenen Sohn geht das fast genauso bekannte Gleichnis voraus, wo ein guter Hirte Verantwortung für 100 Schafe und am Abend sind es nur 99 Schafe, die in den Stall einlaufen.
II. Der verlorene Sohn
Ein Vater also hatte zwei Söhne, zwei ungleiche Söhne –
Der eine, ältere: treu, pflichtbewusst, gehorsam
Der andere, jüngere: lebenshungrig, neu-gierig, pubertierend
Der jüngere ist mit dem wohl versorgten, aber doch altbekannten Leben zu Hause unzufrieden: da muss es doch noch mehr geben, das kann doch nicht alles sein – ein Lebensgefühl, das vielleicht einigen in unserer Zeit auch entspricht. Und er ist konsequent, wohl auch rücksichtslos und unsensibel: „Vater, gib mir das mir zustehende Erbe, quasi „mein Guthaben“, lass mich in Frieden, führe Deine spießige Existenz weiter, aber lass mich ziehen“.
Nach jüdischem Recht erklärt er damit seinen Vater praktisch für tot. Der Vater lässt dies zu, lässt geschehen, lässt sich „mundtot“ machen und erfüllt seinem jüngeren Sohn seinen Willen. Der Vater gibt seinen Sohn frei, frei für den Weg, den der sich in seinen Kopf gesetzt hat. Der freie Wille („liberum arbitrium“), das, was den Menschen originär vom Tier unterscheidet, kommt hier zum Tragen. Der freie Wille, das, was junge Menschen brauchen, um sich von ihren Eltern und deren Werte abzugrenzen, löst Verletzungen aus. Der freie Wille, der mangelnde Erfahrung durch erhöhten Mut ausgleicht, führt in eine spannende Geschichte.
Nun denn, der Vater – und sicherlich auch die dazugehörige Mutter – sie geben ihren Sohn frei, auch wenn es weh tut. Und dennoch bleibt der Vater mit seinem Kind verbunden, vermisst es, wird in Zukunft hoffen und warten und beten. Mehr kann und will er nicht tun.
Der junge Lebemann marschiert in die Welt, lässt Vater, Mutter und älteren Bruder auf dem Hof und der Arbeit zurück und gibt richtig Gas. Freunde, Feiern, Frauen, die es zu kaufen gibt, - Leben vom Gröbsten - ohne Rücksicht auf Verluste.
Doch die Verluste stellen sich ein, wie sich rücksichtsloses Leben letztendlich nicht auszahlt. Nachdem er das nicht verdiente Geld lässig verprasst hat, landet er ganz unten: bei den Schweinen – als Schweinehirte, der nicht einmal das Futter der Schweine essen darf. Weiter bergab geht nicht mehr. Ganz unten.
Da kommt die Wende, die Besinnung; sie kommt durch den harten Aufprall in der Notsituation, da kommt die Einsicht.
Und ihm, dem verlorenen Sohn, geht es wie manchem von uns: Viele wichtige Lektionen unseres Lebens lernen wir in schweren Zeiten, ganz unten.
Ganz unten läutet er seine Wende ein. Er bekennt sich schuldig und hat den Mut, sich und dann auch seinem Vater seine Schuld einzugestehen, Verantwortung zu übernehmen. Er zieht los, Richtung nach Hause – dort wo er einst stolz und selbstgefällig losmarschiert ist, kehrt er nun zurück: Bescheiden und demütig, schuldbewusst und um die Erfahrung reicher, wie schlecht es sich lebt, ohne die Liebe und die Fürsorge seines Vaters. Der jüngere Sohn hat sich grob verrechnet.
Sein Vater rechnet nicht ihm ab – er erwartet ihn , er hofft auf ihn, er steht da mit offenen Armen – vielleicht ein biblischer Erziehungstipp für alle, die Kinder haben, die die große Freiheit suchen und manchmal ein bisschen unbarmherzig mit ihren Eltern sind. Der Vater erwartet diesen seinen verloren geglaubten Sohn mit offenen Armen.
III. Der barmherzige Vater
Dieser Vater ist in dem Gleichnis Jesu bildhaft der liebende himmlische Vater.
Er wartet auf uns Menschen – auch und erst recht auf die, die sich irgendwann in pubertierender Freiheitslust von Kirche und Glauben, vom alltäglichen mühevollen Geschäft des Dienens losgemacht haben. Und wie beim barmherzigen Vater scheint auch beim himmlischen Vater kein Vorwurf an erster Stelle zu stehen, sondern Liebe, Annahme und Vergebung. Der Sohn hatte gedacht. Ich bin nun nichts mehr wert. Ich bin Schweinehirte. Ich bin ganz unten. Vielleicht kann ich unterster Knecht bei meinem Vater sein. Ich bin nichts mehr wert.
Der Vater aber macht deutlich: Du bist viel wert. Du bist wertvoll, weil du mein Kind warst, bist und bleiben wirst. Du hast das Band der Liebe von deiner Seite durchgeschnitten.
Von meiner Seite hat dieses Band immer gehalten. Du, verlorener Sohn, du pubertierender, sich nur auf sich selbst verlassender, um dich selbst kurvender Mensch, der du brutal gescheitert bist, du bist wertvoll.
IV. Bedeutung
Jesus erzählt diese Geschichte für all die verlorene Söhne und Töchter dieser Welt und erst recht für alle Eltern dieser Kinder. Jesus erzählt diese Geschichte aber auch all den Menschen, die sich selbstgefällig oder ignorant gegenüber Gott und der Pflege des Glaubens verhalten haben und den Kontakt zu Gott verloren haben.
Jesus erzählt diese Geschichte all den Menschen, die nicht mehr um ihren Wert und ihre Würde wissen. Jesus erzählt diese Geschichte als Mutmachgeschichte all denjenigen, die sich nicht trauen umzukehren, Schuld einzugestehen und um Vergebung zu bitten.
Jesus erzählt uns diese Geschichte, um uns die unbegreifliche und unbegrenzte Liebe Gottes bildhaft und spiegelbildlich vor Augen zu führen.
Jesus erzählt von der Liebe Gottes, des perfekten Vaters.
Eine Liebe, die das Leben verändert.
Eine Liebe, die Menschen Wert gibt und Würde.
Eine Liebe, zu der man heimkommen kann.
Gott kommt uns entgegen. Er schenkt uns die Freiheit, fortgehen zu dürfen und zu ihm heimkehren zu können.
Gott sei Dank.
Thomas Plesch 17.06.2015 |