Liebe Gemeinde !
Genau heute vor fünf Monaten und einer Woche war … Weihnachten.
Und alle, die im 17.00 Uhr Gottesdienst an Weihnachten dabei waren, haben zum Abschluss gesungen: „Stille Nacht, heilige Nacht.“
Heute sind wir mitten im Jahr, warten vielleicht noch auf den Frühling, sehen uns nach dem Frühsommer, nach dem Zeitpunkt, wo man getrost die Heizung ausmachen und auslassen kann.
In der Kirche haben wir letzten Sonntag das Fest des Heiligen Geistes gefeiert, die Gemeinschaft der Gläubigen, der Herausgerufenen;
Und heute feiern wir das nächste Glaubensfest. Das der Drei-einigkeit Gottes, die Einheit von Gott Vater , Gott Sohn und Gott dem Heiligen Geist. „Der in eins“ , tres in unitate - Trinitatis – so heißt dieser Sonntag in Kirchensprache.
Und der vorgeschriebene Predigttext für den heutigen Trinitatissonntag ist ein Nachtgespräch, ein Gespräch im Dunkeln, dass Licht für Grübler und Denker bringen kann.
Ich mag Nachtgespräche – wenn es ruhig ist, wenn man Zeit hat, wenn die Zeit verfliegen darf, wenn man nicht im Druck ist, schon wieder am nächsten Tag früh aufzustehen.
Nachts, wenn das Leben langsamer wird und zur Ruhe kommt. Nachts, wenn das Tagesgeschäft erledigt und die Aufgabenliste des Tages hoffentlich abgearbeitet ist.
Dann ist es mitunter Zeit für die großen Themen. Die Lebensfragen, die nicht so einfach abzuarbeiten sind.
„Was kann ich wissen?“
„Was soll ich tun?“
„Was darf ich hoffen?“
In diesen drei Fragen hat Immanuel Kant ( 1724- 1804) zusammengefasst, was uns wirklich beschäftigt. Alle münden sie in dem großen Rätsel: „Was ist der Mensch?“ Fragen für die Nacht sind das. Tagsüber treten sie in den Hintergrund. Auf der Arbeit, im Haushalt. Bei der Jagd im Supermarkt. Aber wenn die Sonne untergegangen ist, wenn die Kinder und die wilden Tiere schlafen, dann melden sie sich. Auf dem Sofa bei einem Glas Wein. Nach dem Grillen am Lagerfeuer. Vor dem Zelt in der Steppe. Auf dem Schiff mitten im Ozean. Die Nacht wandert über die sich drehende Erde. Und die tiefen Fragen der Nacht wandern mit ihr über die ganze Welt.
„Stille Nacht, heilige Nacht.“ Heilig ist die Nacht nicht nur wegen der tiefen Fragen. Die Nacht ist auch die Zeit der großen Wendepunkte. Der Lebenswenden. Die Zeit der Träume und der Eingebungen. In der Nacht träumten die Propheten ihre Gottesträume.
In der Nacht wurde Jesus geboren, der den Lauf der Welt für immer veränderte. Und in der Nacht auf Ostern wurde er von neuem geboren. Aus dem Leid und dem Schmerz des alten Lebens in ein neues hinein. Das ist die Heilige Nacht schlechthin, die Osternacht. In der Stille der Nacht stellen sich auch die heiligen Fragen. Wie kann ich spüren, dass Gott mir nah ist? Wie kann ich meinen Glauben pflegen und trainieren? Was wird sein, wenn mein Leben ans Ende kommt?
Das Johannesevangelium berichtet im 3. Kapitel von solchen nächtlichen Fragen. Es erzählt von einem Nachtgespräch.
Nikodemus, ein großer jüdischer Gelehrter, kommt zu Jesus in der Nacht. Und er spricht mit ihm über die großen, tiefen Fragen der Menschheit.Jesus hatte zu Nikodemus gesagt: Niemand kann das Reich Gottes sehen. Kein Mensch. Außer, wenn er neu geboren wird. Nikodemus hatte nicht verstanden. Wie kann ein Mensch denn neu geboren werden? Kann er denn wieder in den Leib seiner Mutter? Will er damit nur zeigen, wie unsinnig dieser Gedanke ist? Oder drückt sich darin auch eine Sehnsucht aus? Zurück in den Leib der Mutter. Regression bis in den Ursprung der Geborgenheit. Schutz.
Für mich ein schönes Bild, wie zwei vortrefflich sich missverstehen, weil sie in verschiedenen Sprachen reden; alle die, die bei Alois Kusser im Gemeindetreff waren und dem Kommunikationsmodell von Paul Watzlawick gelauscht haben, spüren dieses Missverständnis zwischen analoger und digitaler Sprache.
Ein klassisches Missverständnis, wie es sehr oft im Johannesevangelium vorkommt.
Der Mensch- auch der sehr schlaue Mensch wie Nikodemus- denkt in streng menschlichen Bildern; Jesus sieht weiter, denkt weiter, weiß mehr und bringt göttliche und menschliche Weisheit zusammen.
„Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Kein Mensch kann das Reich Gottes sehen, es sei denn, dass jemand von neuem geboren wird.“
Wiedergeboren // Rebirthing – Wiedergeburt
Geburt, Atem, Geist, Erneuerung – all das gehört eng zusammen. Aber wie? Wie kann ein Mensch denn neu geboren werden? Kann er denn wieder in den Leib seiner Mutter? Jesus hatte darauf gesagt: Nicht so. Sondern aus Wasser und Geist muss ein Mensch neu geboren werden. Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist. –
Sie kennen das vielleicht !?
Man arbeitet den ganzen Tag hart im Garten und ist schmutzig und verschwitzt. Man ist erschöpft und auch ein bißchen entkräftet. Aber abends ist Schluss.
Dann raus aus den schmutzigen Kleidern, eine herrliche, erfrischende Dusche, ein leckeres Abendessen im frisch hergerichteten Garten, es riecht noch nach dem geschnittenem Grün des Rasens und schon fühlt man sei wie – neugeboren.
Wasser und Luft können bewirken, dass man sich wie neu geboren fühlt.
Jesus kann beides für ein Bild nehmen: Wasser und Luft erneuern einen Menschen. Deshalb ist es wichtig, immer wieder neu geboren zu werden aus Wasser und Geist.
So ähnlich ist es auch bei der Taufe. Auch sie erfüllt den Menschen mit etwas, das aus geheimnisvoller Ferne kommt. Mit einer Gotteskraft, die neues Leben ermöglicht. Die den Menschen hineinnimmt in das neue Leben Jesu.
In das Auferstehungsleben. Jesus ist genau den Weg gegangen, den Nikodemus für unmöglich hält. Zwar nicht zurück in den Mutterleib. Aber in den Leib von Mutter Erde. Er war tot und begraben. Und wurde dann neu geboren. Mutter Erde – Vater im Himmel
Im Zeichen der Taufe werden auch wir neu geboren. Indem wir symbolisch mit Wasser bedeckt werden und wieder herauskommen, machen wir die Lebensbewegung von Jesus mit: durch den Tod in ein neues Leben.
Deshalb sagt er: Wir sollen neu geboren werden aus Wasser und Geist. Im Vergleich zur erfrischenden Dusche oder zur frischen Luft von draußen gibt es dabei einen großen Unterschied: Bei der Taufe reicht eine einzige fürs Leben. Ein großer Atemzug, der ein Leben lang hält. Der uns als Getaufte schon Anteil gibt an Gottes neuer Schöpfung. Tiefe Fragen haben sie angesprochen, der gelehrte Nikodemus und der von Gott gesandte Jesus. So, wie es sich für ein Nachtgespräch gehört. Es ist ums Ganze gegangen. Um Geburt und Tod. Um neues Leben und Kraft. Um Glauben und Ewigkeit. Jesus hat von der Erneuerung des Lebens erzählt. Das Wort Taufe hat er dabei nicht gebraucht. Aber er hat sie gemeint, als er sagte: Ein Mensch muss neu geboren werden aus Wasser und Geist. Für Nikodemus blieb vieles rätselhaft und missverständlich.
Aber so ist das mit dem begrenztem menschlichen Denkvermögen und der göttlichen Wirklichkeit. Vieles bleibt uns verschlossen. Bis sich plötzlich die Ohren und Augen öffnen und man etwas begreift von Gottes Geheimnissen. Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, - ein Geschenk des Hl.Geistes.
Die Osternacht ist die stille Nacht, die Heilige Nacht. Die Nacht, in der uns ein Licht aufgeht und Gottes Geheimnisse offen zu Tage treten. Zu Pfingsten haben wir den Heiligen Geist gefeiert. Den geheimnisvollen Geist, der wie der Wind bläst, wo er will.
Und heute, am Trinitatisfest, feiern wir das Geheimnis unseres dreieinigen Gottes. Er ist der Vater, der nicht will, dass wir Menschen verloren gehen. Er will mit uns sein und uns behüten. Wir sollen uns zu ihm halten und ihm vertrauen. Vater unser im Himmel
Er ist der Sohn, der uns wie ein Bruder nahe gekommen ist, der als Mensch liebt und lebt in Freud und Leid und für uns durch den Tod ins neue Leben gegangen ist. Wahrer Mensch und wahrer Gott. Und er ist der Heilige Geist, der Gemeinschaft stiftet.
Gemeinschaft untereinander, also unter uns, unter denen, denen das Wort Gottes und die Tat der Liebe wichtig sind. Und der Gemeinschaft stiftet zwischen Mutter Erde und dem Vater im Himmel, der begeistern kann für das Reich Gottes und die neue Geburt nach diesem Leben.
Drei in eins – kleiner geht Gott nicht einzupacken – aber das werden wir niemals ganz begreifen.
In Gottes Namen – Amen |