Johannes 11,1 (2) 3. 17-27 (41-45)
Predigt am 20. September 2015

 
 

Johannes 11,1(2)3.17-27(41-45)
Es lag aber einer krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf Marias und ihrer
Schwester Marta.
(Maria aber war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihrem
Haar getrocknet hatte. Deren Bruder Lazarus war krank.)
Da sandten die Schwestern zu Jesus und ließen ihm sagen:
Herr, siehe, der, den du liebhast, liegt krank.
Als Jesus kam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grabe liegen.
Betanien aber war nahe bei Jerusalem, etwa eine halbe Stunde entfernt. Und viele
Juden waren zu Marta und Maria gekommen, sie zu trösten wegen ihres Bruders.
Als Marta nun hörte, dass Jesus kommt, geht sie ihm entgegen;
Maria aber blieb daheim sitzen.
Da sprach Marta zu Jesus:
Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. Aber auch jetzt
weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben.
Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen.
Marta spricht zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird – bei der
Auferstehung am Jüngsten Tage.
Jesus spricht zu ihr:
Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt;
und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.
Glaubst du das?
Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn
Gottes, der in die Welt gekommen ist.
(Da hoben sie den Stein weg.
Jesus aber hob seine Augen auf und sprach:
Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast.
Ich weiß, dass du mich allezeit hörst;
aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich’s,
damit sie glauben, dass du mich gesandt hast.
Als er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme:
( Jesus rief mit lauter Stimme)Lazarus, komm heraus!
Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und
Händen, und sein Gesicht war verhüllt mit einem Schweißtuch.
Jesus spricht zu ihnen: Löst die Binden und lasst ihn gehen!
Viele nun von den Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat,
glaubten an ihn.)
Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.
Liebe Mitchristen, liebe Chormitglieder, ich freu mich so darüber, dass ihr dabei
seid, dass ich euch extra anspreche; und auch weil ihr ja direkt und auch sonst
hinter mir steht.
Das Lied habt Ihr bestimmt erkannt, 1970 hat es Katja Ebstein beim Grand Prix
gesungen, mit großem Erfolg. Es ist ja auch ein wirklich tolles Lied mit einem
Hinweis auf eben das „Unverständliche“. Denn Wunder erwartet jeder ja immer
wieder im Leben, wenn es schwierig ist. Da haben wir heute nun eine Wunder-
Geschichte als Predigttext. Den haben wir ja vorhin als Evangelium gehört.
Und auch noch ein so gewaltiges Ereignis. …Da wird jemand von den Toten
auferweckt. Unglaublich…….Ehrlich gesagt, mit Wunderglauben, mit Wundern
überhaupt, habe ich lange nicht so viel anfangen können. Als überzeugter
Protestant meinte ich, das ist zu mystisch, vielleicht auch zu katholisch. Ich war an
vielen Wallfahrtsstätten wie Lourdes, Fatima, Medjugorje, Pribam und natürlich
Altötting. Gerade an diesen Orten hatte ich immer mehr Bedenken als
Überzeugung gefunden. Stimmen diese Geschichten wirklich, die da beschrieben
werden und die ich nur lesen und nicht selbst erleben konnte ? Wunderheilungen,
hm; Wunder überhaupt ? ? Und heute muss ich über ein großes Wunder predigen.
Gut, es war Jesus selbst, der Sohn Gottes, der das Wunder machte, das macht es
einfacher. Aber trotzdem. Und manche Auslegungen weisen auch darauf hin, dass
sie auch einen anderen Hintergrund hat, die „Geschichte“ mit dem Lazarus.. Und
glauben Sie, glaubt ihr an Wunder ? Ich meine schon auch an Heilungen und so ?
Oder Bewahrung vor Unglück, Unfällen usw. oder meinen wir alles ist nur
Zufall ? Ich bin älter geworden, und jetzt glaube ich an Wunder. Eher weniger
an „Berge versetzen“, und auch nicht, dass da unser Gott da oben steht und die
Tsunani schickt und machen halt davor bewahrt, nein, das nicht.
Aber Heilung, wundersame Heilung durch Glauben, ja daran glaube ich. Denn
unser Glaube kann unsere Gedanken ordnen, und so manche Krankheit heilen. Mit
magischem Schnickschnack hat das nichts zu tun. Der erste Weg zur Heilung ist
der Wille, etwas zu tun, etwas zu verändern. Ja, schon, das der Glaube „Berge
versetzen“ kann, aber halt „bildlich“. Hoffnung ist dabei der erste Schritt.
Als Jugendlicher hatte ich wegen meinem Buckel immer Bedenken, mit
zunehmenden Alter „normal“ leben zu können. So war bestimmt kein Zufall, dass
es mir heute soo gut geht. Ich habe zwar nicht auf ein Wunder von oben gewartet,
sondern mit Gottes Hilfe ist das Wunder geschehen. Und was sonst in meinem
Leben alles Gutes geschah, es war so viel, so groß, so unglaublich reich, ich kann
es nur als Wunder bezeichnen. Ja, ein großes Wunder. Und wenn ihr nun nur
eine Minute in Stille verharrt, es wird euch genauso wie mir gehen, ein wahres
Wunder Euer / unser Leben, unbegreiflich und unermesslich, phantastisch,
erstaulich. Doch betrachten wir jetzt einmal unseren Text, denn da steckt viel
mehr dahinter, als nur das Wunder der Auferweckung. Da geht es z.B. auch um
Freundschaft, und vor allem um zwei sehr unterschiedliche Frauen.
Und um ihren unerschütterlichen Glauben, mit „ es ist nie zu spät „. Beispiel
erzählt sie von Freundschaft. Lazarus und Jesus waren Freunde. Deshalb schicken
Maria und Marta eine Nachricht zu Jesus, als ihr Bruder krank wird. Erst sieht es
so aus, als würde Jesus gar nicht recht reagieren. Aber das ist bei Männern
manchmal ganz normal. „Krankheit“ ist halt kein Thema, bei dem Männer sich
sofort angesprochen fühlen – das nehmen sie oft zur Kenntnis und warten erst mal
ab. Auch Jesus macht erst mal weiter wie bisher, er hält seine Predigten und bleibt,
wo er ist.
Aber dann lässt es ihm doch keine Ruhe. Nach zwei Tagen bricht er auf. Seine
Jünger raten ihm ab: „Das ist gefährlich, die Leute dort wollen dich umbringen!“,
sagen sie. Aber Jesus winkt ab. Egal, er weiß, wo er jetzt gebraucht wird – sein
Freund braucht ihn. Und er geht hin.
So gesehen ist das auch eine Geschichte vom „Sich-nicht-hetzen-Lassen“. Jesus
weiß wohl, wie es um seinen Freund steht, aber er beeilt sich nicht. Er wartet auf
den richtigen Moment, und dann bricht er auf. Und als er ankommt, wartet er
wieder auf den richtigen Moment, bevor er irgendetwas tut.
Er lässt sich alles berichten, er lässt Marta reden und Maria weinen, und erst dann,
als alle meinen, er sei zu spät gekommen, erst dann handelt er. Und dann ist es
noch eine Geschichte von Vorwürfen. So viele Menschen hat Jesus geheilt. Warum
nicht auch diesen, der doch sein Freund war? So fragen die Umstehenden, als
Jesus am Grab ankommt. Das ist eine ganz bittere Wahrheit: So vielen hat er
geholfen, aber jetzt, hier – bei uns – da kann er nicht helfen. Es ist zu spät.
Lazarus, sein Freund, ist gestorben. Lazarus ist tot, und alle Leute aus dem Dorf
stehen um sein Grab. Die einen weinen, die anderen reden, aber so recht erklären
kann das doch niemand. Warum ist ausgerechnet „er“ so krank geworden? Warum
gab es für ihn kein Wunder? Und wie soll seine Familie jetzt weiter leben? Auch
Jesus weint. Die Worte aus dem Johannes-Evangelium lassen offen, warum genau
er weint. Es klingt auch ein bisschen so, als wäre Jesus über die Trauer der
Leute verärgert. Aber kann das sein? Sehr viel wahrscheinlicher ist, dass Jesus die
Trauer selber spürt: Es ist immerhin sein Freund, der da begraben liegt, in einer
dunklen Höhle. Und es sind Freundinnen von ihm, die am Grab stehen und nicht
weiter wissen. Und so weint er mit ihnen.
Als ein Freund. Als einer, der den richtigen Moment kennt – und jetzt ist ein
Moment, um zu trauern.
In derselben Geschichte – um Freundschaft, Tod und Trauer – klingen auch solche
Themen an wie Mut oder wie „es eben mit Geschwistern oft so ist, Maria und
Marta sind eben ungleiche Schwestern. Im Lukas-Evangelium wird beschrieben,
wie die eine engagiert und zupackend sich um alles kümmert, was getan werden
muss, während die andere ruhig, fast meditierend den großen Gedanken nachhängt
und versucht, die Weisheit Gottes in sich einsinken zu lassen. Da die beiden
Schwestern sind und in einem Haus zusammen leben, wird das oft zu Streit
geführt haben.
Auch in unserem heutigen Predigtwort klingt das an: Martha drängt Maria
regelrecht zu Jesus: „Geh zu ihm“, sagt sie, „der Meister ruft dich!“ Maria geht
und tut, was ihrem Gemüt entspricht: sie fällt vor seine Füße und weint. So sehr
weint sie, dass Jesus selbst die Tränen kommen. Marta dagegen redet; sie geht
Jesus entgegen, noch bevor er ganz da ist, und sie redet. Über die ganz großen
Themen sprechen sie, über Tod und Auferstehung und über das „Was-wäregewesen-
wenn“. Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben,
sagt sie ihm ins Gesicht. Jesus stand schon einmal in einem Streit zwischen den
beiden Frauen. Damals hat er Maria gestärkt, gegen ihre tatkräftige Schwester.
Heute scheint er beiden Recht zu geben, und beide zu stärken. Mit Maria weint er,
mit Marta diskutiert er. Jede darf ihren Weg gehen, wie sie mit der Trauer und den
Fragen fertig wird, und er stellt sich beiden an die Seite. Beide bekommen Recht,
beide dürfen sein, wie sie sind.
Eine echt tolle Geschichte ist das, auch für uns ein Bespiel.
Eine Geschichte vom Mut ist das auch. Wer hätte es sonst gewagt, so mit Jesus zu
reden, wie Marta?
Sie wirft ihm ihre Kritik regelrecht entgegen, keiner der Jünger hätte das gewagt.
Und Jesus hört ihr zu, er lässt sie reden, und er antwortet ihr.
Hin und her geht das Gespräch; verzweifelte Hoffnung bei Marta und große Worte
von Jesus:
Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, wird leben, auch
wenn er stirbt, sagt er.
Und so kommt Marta zum größten Bekenntnis, das das Neue Testament kennt:
Du bist der Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.
Diese Worte werden in den anderen Evangelien Petrus zugeschrieben, allerdings
unter weit weniger dramatischen Umständen. Hier spricht sie eine Frau, eben
Marta. Das sollten wir beachten, eine Frau als eine der ersten Christen. Nicht wie
später behauptet wird, das Paulus der erste Christ ist, nein, Marta, eine Frau ist es,
das ist denkwürdig, bei all der Männerdominanz auch in den Evangelien.
Und auch Marias Mut ist beachtlich. Erst sagt sie ihm wortwörtlich dasselbe wie
zuvor schon ihre Schwester:
Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben. Dann geht
sie ihren eigenen Weg weiter. Sie diskutiert nicht wie Marta, sie bekennt auch
nicht, sie trauert. Sie weint. Sie versteckt ihre Tränen nicht, sondern lässt ihrem
Schmerz freien Lauf. Vielleicht hat sich das auch damals schon nicht gehört.
Vielleicht hat man auch damals schon hochgestellte Persönlichkeiten nicht mit
dem eigenen Kummer belästigt. Vielleicht hätte Maria – als Frau – sich mehr
zurückhalten sollen – aber das ist ihr alles egal. Sie konfrontiert Jesus mit dem,
was sie bewegt.
Mutig ist das. Und sehr ehrlich. So darf Trauer auch sein, furchtlos.
Und Jesus hält es aus. Auch die Trauer, die geballte Emotion und die Vorwürfe
beider Schwestern, die bitteren Tränen von Maria, und die fordernde Hoffnung
von Marta. Alles das hält er aus.
Das ist auch ein sehr wichtiger Teil dieser Auferweckung. Diese Frauen haben
eine Wichtigkeit im Glauben, wie es immer noch nicht von allen Klerikern und
Kirchenfürsten erkannt und anerkannt. Und dass Marta zeigt, dass wir uns vor
Gott nicht zusammen reißen müssen.
Da steht er nun vor uns, dieser Jesus, ein echter Mensch. Einer, der die Gefühle
der Menschen kennt, nicht nur die Trauer, auch Freundschaft oder Rivalität. Aber
auch Hoffnung und Mut. Einer, der uns nahe ist, in all dem. Ein Freund eben, ein
echter Freund, der kommt, wenn ich ihn brauche.
Einer, der aber auch noch eine andere Seite hat.
Ich glaube, dass du der Christus bist, sagt Marta. Maria drückt das so aus, indem
sie vor ihm niederkniet. Er ist der, der etwas hat, was wir es uns nicht vorstellen
können; der uns zeigt, dass der Tod nicht das letzte Wort hat.
Ganz komplett ist sie nun noch nicht, unsere Predigtgeschichte. Es fehlt noch der
Schluss, das Happy End. Auch das gibt es in diesem Evangelium. Jesus dankt
zuerst Gott, dann ruft er den Lazarus aus dem Grab. „Unmöglich“, denken wir.
Das Grab solle man besser nicht mehr öffnen, sagt ausgerechnet Marta. Die
Trauergäste haben den Geruch aus dem Grab schon gespürt.
Und so unmittelbar hat sie wohl doch nicht mit der Auferstehung gerechnet – wie
auch, wo sie doch immer die Praktische, die Realistische war. Aber genau das
passiert. Nun haben wir es, das Wunder. Lazarus kommt tatsächlich aus
dem Grab, er läuft selber heraus, mit den Totenbinden und Grabtüchern an seinem
Leib. Das Wunder, auf das sie alle vor Tagen gehofft hatten, jetzt ist es da. Lazarus
lebt.
Lebensgroß steht es vor den Augen, Jesus hat dem Tode die Macht genommen.
Wie war das nun damals mit Jesus ? Ist die Geschichte echt? Kam Lazarus
wirklich aus dem Grab gelaufen? Oder ist es doch nur ein Bild, wie ein Beispiel
mit einer Botschaft?
Wahrs hat es dieses Ereignis um Maria, Marta und Lazarus tatsächlich so gegeben.
Auf jeden Fall aber ist es ein Bild, das uns vor Augen gestellt ist. Ein Bild, das
unser Herz berührt, auch wenn der Verstand Einwände hat. Eine Geschichte, die
uns Mut macht, uns nicht nur auf das zu verlassen, was vor Augen steht, sondern
damit zu rechnen, dass es noch etwas Größeres gibt. Hinter dem Horizont. Es ist
eine Geschichte, die uns mehr anbietet, als wir im normalen Leben sehen können.
Eine Geschichte, die Hoffnung macht. Da ist einer, ein Freund auf unserer Seite,
einer der uns weiter führt, über dieses Leben hinaus, und weiter, als wir jemals
selber gehen können. Wunder gibt es, Wunder gibt es immer wieder.....
Herr, lass auch an uns immer wieder Wunder geschehen, kleine Wunder oder wenn
Du möchtest auch große Wunder. Wir danken Dir für die Wunder die Du uns
täglich erleben läßt, wir danken Dir für das Wunder unseres Lebens.
AMEN