Predigt am Erntedankfest
Predigt am 04. Oktober 2015

 
 

Lukas 12, 13-21 / 04.10. 2015 - 10.00 Tittling

Liebe Gemeinde !

Heute steht der Dank im Mittelpunkt. Gott sei Dank!
Und wir haben allen Grund zum Danken. Die Erntegaben, mit denen die Kirche geschmückt ist, zeigen uns: Wir sind wieder reich gesegnet. Wir haben nicht nur das Notwendigste zum Leben, sondern viel mehr. Und wenn wir nachher eine leckere und frisch zubereitete Kartoffel- oder Kürbissuppe in netter Gesellschaft essen mit frischem Brot, dann spüren wir, wie schön es ist , gut und in Gemeinschaft zu essen.
Und wenn wir heute die jungen Konfirmanden sehen und einige Mitarbeiter aus der Jugend, dann können wir dankbar sein, dass junge Menschen hungrig sind nach Gemeinschaft – im Hause des Herrn.
Das Erntedankfest ist ein Zeichen, ein Symbol für die Fülle, mit der uns Gott beschenkt.
Dass wir nicht nur ein Erntefest feiern, sondern Ernte-DANK-fest - dieser Unterschied ist nicht unerheblich, denn dass wir so gut versorgt sind, ist nicht allein unsere eigene Leistung, unser eigenes Werk.
Wer sich selbst etwas schafft, bedankt sich ja nicht bei sich selber. Sondern wir sagen "Danke", wenn wir etwas von anderen bekommen.
Etwas, was wir nicht ganz allein vollbracht haben. Indem wir "Danke" sagen, denken wir auch darüber nach: Woher kommen alle die Dinge, die wir so haben?
Die notwendigen Dinge, die wir unbedingt zum Leben brauchen, und die Sachen, die zwar nicht unbedingt notwendig sind, aber das Leben reich und schön machen?
Der Dank lenkt den Blick auf die Geber. Da gibt es jemanden, der an uns denkt, und dem wir wichtig sind.
Dankbarkeit führt auch zu einem bewussten Umgang mit all den Gaben. Das ist wie ein kostbares Geschenk, das wir von lieben Menschen erhalten haben, die uns nahe stehen, und über das wir uns freuen. Es wird gehütet, und wir sind sehr vorsichtig damit. Vielleicht bekommt es sogar einen herausragenden Platz.
Wie gehen wir mit den Lebensmitteln um, mit den Mitteln zum Leben und Mitteln des Lebens? Dabei sind nicht nur Äpfel, Mehl, Kartoffeln, Honig, Brot , Salz und Wasser und andere Nahrungsmittel gemeint, die wir hier sehen, sondern die ganze Schöpfung, in die uns Gott hineingestellt hat, und deren Segnungen wir genießen dürfen:
Die Natur, das Klima, die vielen Menschen überall auf der Welt, deren Arbeit uns gut leben lässt. Alles das gehört dazu.
Im Zeitalter der Globalisierung leben wir wirklich von der menschlichen Arbeit in allen Teilen der Welt: von den Näherinnen in China, von den Kaffeebauern in Nicaragua, von den Arbeitern auf Ölplattformen in Norwegen, und und und .
Wer bewusst "Danke" sagt, stellt sich seiner Verantwortung, denn dann gehen wir nicht achtlos mit den Dingen um. Deshalb finde ich es so wichtig, dass wir eine Kultur der Dankbarkeit haben.
Denn fehlende Dankbarkeit kann ein Zeichen für Egoismus und Selbstgefälligkeit sein.
Wir haben im Evangelium ein klares Wort Jesu dazu gehört: "Hütet euch vor Habgier, denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat."
Habgier und Dankbarkeit passen nicht zusammen. Wer immer nur mehr haben will, ist nicht dankbar, ist nicht zufrieden.
Jesus illustriert seine Äußerung über die Habgier mit dem Gleichnis vom reichen Kornbauern. Und in diesem Gleichnis gibt es Einiges zu entdecken. Da ist eine gute Ernte, und die Überlegung des Kornbauers, wohin mit den Erträgen, ist erst mal nichts Verwerfliches und auch nicht undankbar. Im Gegenteil. Es wäre doch töricht, ein Teil der Ernte umkommen zu lassen, nur weil die Scheunen zu klein sind. Mir fällt die Geschichte von Josef in Ägypten ein, der in den fetten Jahren dafür gesorgt hat, dass die guten Erträge eingelagert werden, damit die Menschen in den mageren Jahren nicht hungern müssen. Wo liegt da der Unterschied? Jesus sagt am Schluss klar, worauf er hinaus will: Dem Kornbauern geht es nicht um weitsichtiges und kluges Wirtschaften, sondern er ist einer, dem es nur auf materiellen Besitz ankommt. Möglichst viel und immer mehr haben wollen, das ist sein Ziel, das ist der Inhalt seines Lebens. Die Scheunen sind voll, jetzt findet er Ruhe, denkt er.
Damit passt der Kornbauer aus dem Gleichnis gut in unsere heutige materiell überfrachtete Gesellschaft, in der es nicht mehr um die notwendige materielle Absicherung des Lebens geht, sondern wo das Haben das Sein bestimmt.
Ich denke, dass wir in unserem Leben oft genug dem reichen Kornbauern begegnen. Sogar in uns selbst. Dabei ist die Grenze zwischen notwendiger materieller Absicherung einerseits und das Streben nach immer mehr Besitz andrerseits durchaus fließend und nicht immer leicht zu erkennen. Der reiche Kornbauer ist nicht nur unter den Reichen zu finden.
Sondern er kann durchaus auch in einem bescheidenen und rechtschaffenen Leben unvermittelt auftauchen. In der seelsorgerlichen Praxis begegnet mir ab und zu die Situation, dass ältere Menschen erzählen: Wir haben das ganze Leben geschuftet und gespart, und jetzt im Ruhestand wollten wir unseren bescheidenen Wohlstand, das Häuschen, den Garten und das Ersparte genießen – doch jetzt sind wir durch Krankheit oder Tod heimgesucht worden, und alles ist zunichte.
Das ist eine bittere Erfahrung, die zu einer tiefen Enttäuschung führen kann und für die Betroffenen schwer auszuhalten ist. Hier bewahrheitet sich der Satz aus dem Gleichnis: "Wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?"
Worin suchen wir Sicherheit und Sinn? Worauf kommt es am Ende an? Was können und müssen wir selbst tun, und wo sind unsere Grenzen?
 Jesus stellt um unser und um des Lebens Willen ein Warnschild auf: Hütet euch vor Habgier! Und wir müssen immer wieder erfahren, dass diese Warnung berechtig ist.
Habgier und Dankbarkeit passen nicht zusammen. Wer immer nur mehr haben will, ist nicht dankbar, ist nicht zufrieden.
In diesen Wochen erleben wir weltpolitisch Unglaubliches ganz nah an unserer Wirklichkeit. Zehntausende von Flüchtlingen sind in den letzten Tagen in Passau gelandet.
Mit welcher Einstellung kommen sie?
Kommen sie mit der Einstellung der Dankbarkeit, dass sie endlich in Sicherheit sind und die Flucht überlebt haben?
Oder kommen sie mit der Einstellung der Habgier: was es alles im reichen Deutschland für sie zu holen gibt?
Und mit welcher Einstellung erwarten wir sie?
Erwarten wir sie mit der Einstellung der Dankbarkeit, dass sie endlich in Sicherheit sind und die Flucht überlebt haben? Und wir eine schönes, weltweit begehrenswertes Zu Hause haben?
Oder erwarten sie mit der Einstellung des Materialismus: was sie uns alles kosten und ob es dann für uns immer noch genauso reicht wie bisher?
Im Umgang mit der richtigen Einordnung des Materiellen einerseits und der Dankbarkeit der Seele andererseits liegt meiner Meinung nach  einer der zentralen Schlüssel, diese immense Aufgabe im geistlichen Sinne gut zu lösen.
Heute steht der Dank im Mittelpunkt.  Gott sei Dank!
Gott sei Dank müssen wir nicht fliehen!
Gott sei Dank werden wir nicht umgebracht, wenn wir sagen, dass wir Christen sind.
Gott sei Dank haben wir leckeres Brot zu essen, frisches Wasser zu Trinken und zu duschen und ein weiches Bett, das uns gehört und in dem wir friedlich schlafen können.
Gott sei Dank haben wir die Zeit und nehmen wir uns die Zeit, Gott zu danken.
In Gottes Namen – Amen.

Thomas Plesch am 02.10.2015