"Alles hat seine Zeit“ Prediger 3,1-14

Predigt am 01.06.2014

 

Liebe Gemeinde !
Im Hauskreis wird zurzeit das Buch des Predigers gelesen.
Letzten Sonntagabend, nach den sehr schönen Gottesdiensten zu den Konfirmationen wieder ein Stück Alltag. Denn alles hat seine Zeit – volle Gottesdienste und normal besuchte Gottesdienste, Gottesdienste mit 1 ¾ Stunden und Gottesdienste mit einer Stunde.
Und genau dies war dann auch der Text im Hauskreis aus Prediger 3:
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
Geboren werden hat seine Zeit,            sterben hat seine Zeit;
pflanzen hat seine Zeit,                          Gepflanztes ausreißen hat seine Zeit;
töten hat seine Zeit,                                heilen hat seine Zeit;
abbrechen hat seine Zeit,                       bauen hat seine Zeit;
weinen hat seine Zeit,                            lachen hat seine Zeit;
klagen hat seine Zeit,                             tanzen hat seine Zeit;
Steine wegwerfen hat seine Zeit,          Steine sammeln hat seine Zeit;
umarmen hat seine Zeit,                        Umarmung meiden hat seine Zeit;
suchen hat seine Zeit,                   verlieren hat seine Zeit;
behalten hat seine Zeit,                          wegwerfen hat seine Zeit;
zerreißen hat seine Zeit,                         zunähen hat seine Zeit;
schweigen hat seine Zeit,                       reden hat seine Zeit;
lieben hat seine Zeit,                              hassen hat seine Zeit;
Krieg hat seine Zeit,                                Friede hat seine Zeit.

Dieser erste Teil aus Prediger 3 ist eigentlich ein Gedicht.
Ein Gedicht über das Leben. Über das Leben von uns Menschen mit allem, was dazugehört, seinen guten und seinen schlechten Zeiten, seinen Lasten und seinen Freuden.
Dieser Abschnitt aus dem Buch des Predigers Salomo hat zu allen Zeiten die Menschen fasziniert. Für den ehemaligen US-Präsidenten Richard Nixon wurde das Buch des Predigers sogar zum Lieblingsbuch der Bibel. Und der berühmte Pop-Sänger Pete Seeger machte - und diesen Hinweis verdanke ich Dr. Reinhard Bauer - im Jahre 1950 aus diesem Bibeltext einen Song, der auch heute noch immer wieder mal im Radio zu hören ist: „Turn! Turn! Turn! To everything there is a sesason…“– „Alles hat seine Zeit“. In diesen Worten begegnet uns scheinbar eine ganz einfache Wahrheit, ein Patentrezept für gelingendes Leben: Man sollte alles zur rechten Zeit tun. Wer im Herbst Sommer­blumen sät und im Frühjahr Pflanzen ausreißt, macht was verkehrt.
„Alles hat seine Zeit“ – ja, scheinbar eine einfache, einleuchtende Wahrheit, eine Anweisung für gelingendes Leben.
So richtig es ist, dass man sich bei allem Tun fragen sollte, wann die richtige Zeit dafür gekommen ist – das ist nicht die eigentliche Aussage dieses Abschnitts.
Denn die Botschaft des Königs Salomo ist keine Anweisung, sondern eine Beobachtung.
Die Beobachtung nämlich, dass das Tun und Ergehen der Menschen in Gegensätzen geschieht, die sich im Laufe der Zeit aufheben oder auslöschen: Vierzehn Gegensatzpaare hat der Verfasser zusammengetragen.
Da wird einer geboren und stirbt dann wieder; er ist dann wieder ebenso weg, wie er vorher noch nicht da war. Da wird ein Garten an­gepflanzt; dem nächsten gefällt er nicht, und er reißt ihn wieder aus; die ganze Mühe war vergebens. Da wird ein Haus gebaut und irgendwann wieder abgerissen; man sieht nichts mehr von dem Bauwerk. Da gewinnt jemand an einem Tag Geld, an einem anderen Tag verliert er wieder Geld, und aufs Ganze gesehen hat er keinen Gewinn. Salomo fasst diese Beobachtungen in eine allgemeine Schlussfolgerung zusammen und schreibt:
Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon. Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen.“

Welchen Wert hat unser Leben letztlich? Was kommt heraus, wenn wir selbst da eine Bilanz ziehen, oder auch eine Zwischenbilanz?
Und wie wäre es, wenn wir diese Bilanz nicht nur für uns selbst ziehen, sondern wenn wir dabei Gott mit einrechnen?
Würde dann etwas anderes herauskommen?                                                                          2
Nun, das kennen wir doch: Da backt eine Frau eine Kuchen zum Geburtstag, stellt ihn auf den Tisch, die Gäste langen zu, haben ihn im Nu vertilgt, und von der Arbeit der Frau ist nichts mehr zu sehen.
Da gewinnt eine Fußballmannschaft und jubelt, aber am nächsten Wochenende verliert sie wieder und ist niedergeschlagen. Da jätet jemand Unkraut, und es wächst wieder nach. Da fegt jemand die Blätter von der Straße, und am nächsten Tag ist alles wieder voll. Der Mensch kommt nicht voran, er gleicht dem Sisyphus, der immer wieder neu versucht, einen großen Stein auf den Berg zu rollen, aber der Stein rutscht kurz vor dem Gipfel immer wieder ab und rollt ins Tal.. „Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.“ Es gibt keinen Fortschritt für die Menschheit, jedenfalls keinen echten.
Sicher, wir haben heute Handys, die hatte Salomo noch nicht, aber über die Handys läuft derselbe Klatsch und Tratsch, dasselbe belanglose Gerede, das es auch schon vor dreitausend Jahren gab. Sicher, die Welt ist kleiner geworden durch Flugzeuge und weltweite wirtschaftliche Verflechtungen, die Völker sind einander näher gekommen, aber doch werden immer noch schreckliche Kriege geführt, wie vor dreitausend Jahren.
Nein, eigentlich gibt es keinen Fortschritt, in den entscheidenden Fragen tritt der Mensch nach wie vor auf der Stelle. „Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.“
Warum hat Salomo das aufgeschrieben? Warum steht es in der Bibel? Es muss doch mehr sein als die resignierte Erkenntnis eines alten, lebenssatten Mannes! Ja, das ist es auch. Denn Salomo schrieb weiter:
„Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit; auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.“

Und dann folgt auf diese Erkenntnis doch noch eine Anweisung, die wir beherzigen sollen und die uns im Leben weiterhilft. Das heißt, eigentlich sind es zwei Anweisungen: Die eine betrifft die Zeit, in der Gott alles schön gemacht hat, und die andere die Ewigkeit, die Gott uns als Sehnsucht ins Herz gelegt hat.                                                                                     3
Die erste der beiden Anweisungen lautet:
Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.“

Also, lieber Mensch, lass dir das vom weisen Salomo und vom Allmächtigen selbst gesagt sein: Genieße dein Leben und freue dich an allem Schönen! Grüble nicht endlos darüber nach, warum dies und das geschieht, warum dir dies und jenes zustößt, das kannst du mit deinem kleinen Verstand sowie nicht ergründen!
Sei auch nicht zu ehrgeizig: Meine nicht, dass du Fortschritte machen und etwas Großes schaffen musst, etwas, das Bestand hat, denn Bestand hat sowieso nichts in dieser Welt. Du kannst nichts für die Ewigkeit schaffen, du lebst in der Zeit, und die Zeit hat die unausweichliche Eigenschaft zu vergehen. Es bleibt nichts in der Zeit, und du selbst bleibst auch nicht in der Zeit. Nimm deinen Weg durch die Zeit einfach hin wie eine schöne Reise, die Gott dir schenkt; lass dich überraschen von allem, was dir auf dieser Reise begegnet; ertrage das Unangenehme und Schwere mit Gelassenheit und Gottvertrauen.
Die zweite der beiden Anweisungen lautet:
„Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll.“

Gottes Tun ist nicht der Vergänglichkeit unterworfen wie menschliches Tun. Und das bedeutet doch: Bei Gott gibt es Fortschritt. Bei Gott reifen Dinge für die Ewigkeit heran. Gott hat einen Plan für die Welt und für uns Menschen, und er verfolgt diesen Plan seit den Tagen der Schöpfung; er kommt mit seinem Plan ans Ziel, wenn die Zeit dieser Welt zu Ende geht. Während wir hier in der Zeitlichkeit vor uns hinleben, ohne wirklich etwas mit Bestand zu erreichen, baut Gott sein ewiges Reich. Das können wir nicht verstehen, das können wir nicht beweisen, das können wir uns nur von Gottes Wort sagen lassen und glauben. Ja, das sollen wir auch glauben, das erwartet Gott von uns. Und wir sollen Gott dafür fürchten. Wir sollen ihn ganz ernst nehmen, ihn ehren und anbeten als Schöpfer.                                        4
Und das bedeutet doch auch: Wir sollen ihm vertrauen! Für uns und unseren Verstand hat alles seine Zeit, ist alles zeitlich begrenzt; wir treten auf der Stelle. Aber wir vertrauen darauf, dass bei Gott alles voranschreitet. Und vor allem: Wir vertrauen darauf, dass Gott uns aus unserer Zeitlichkeit erlöst und uns Anteil gibt an seiner Ewigkeit. Salomo schrieb: „Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit“, aber Jesus schenkte uns die Wiedergeburt zum ewigen Leben, die Taufe.
Wie schrieb doch Salomo? „Gott hat den Menschen die Ewigkeit ins Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. Ich merkte, dass alles, was Gott tut, das besteht für ewig; man kann nichts dazutun noch wegtun. Das alles tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll.“

Alles hat seine Zeit, nur eines hat immer sein Zeit: Wir sollen Gott fürchten (im Sinne von Ehrfurcht haben) und lieben.

Amen.