Apg, 16, 9-15 Lydia und der erste Christ in Europa
Predigt vom 14. und 21.02.2014

 
 

Homiletische und hermeneutische Vor-Überlegungen zu Acta 16,9-15, Th.Plesch
Inhaltlich-

  • Die Bedeutung der Rolle der Frau – auch bei Paulus – trotz aller Vorurteile
  • Daraus ableitend – Wahrnehmung  und Anerkennung für die Rolle der Frau in unserer Gemeinde – hermeneutischer Bezug
  • Akzent auf Mission nach Europa – geschichtlich
  • Hier auch Aspekte der Bildungsvermehrung
  • Die Frage nach der Entwicklung des Glaubens und der Glaubensgeschichte kontinental und auch persönlich aufgreifen
  • Fast schon in Homilie-Form entscheidende Verse von Acta 16 beleuchten
  • Über die Taufe der Lydia zur theologischen Bedeutung der Taufe und zur Sinnhaftigkeit der Taufe heute ins Nachdenken kommen

Sozial-
Bezug der Konfirmanden – mit einbinden
Bezug der Kasualien
Bezug zu den weiblichen Verantwortungsträgern in der Gemeinde

  • ZIEL:

Stärkung / „Erbauung“ der „communio sanctorum“ in der Ortsgemeinde

Apg. 16, 9-15 Lydia und der erste Christ in Europa  23.02.2014
Liebe Gemeinde !
Gnade sei  mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist  und der da sein wird.
Stille      / Gottes Wort für unser Herz und unser Herz für Gottes Wort /
Von den Anfängen des christlichen Glaubens erzählt die biblische Geschichte des heutigen Sonntags, die ich nachher vorlesen werde.
Zuvor will ich einen Augenblick bei dem  Gedanken verweilen, wie denn der Glaube in mein Leben oder in ihr Leben, liebe Gemeinde gekommen ist.
Jeder und jede einzelne von uns könnte hier seine /ihre Geschichte erzählen und es würden viele Personen genannt werden, wie wir es in der vorvorletzten Konfistunde im Rahmen unseres Konfi-unterrichtes gemacht haben.
Menschen, die uns begleitet und geprägt haben auf unserem Weg zu und mit Gott. Oft wurden bei unseren Konfirmanden die Oma genannt, -erzählt bitte weiter von Eurem Glauben – aber auch die Mütter wurden öfter genannt; liebevolle Frauen, die nah am Herzen ihrer Kinder und Enkelkinder dran sind.
Über die Spuren des Glaubens haben wir in der vorletzten Stunde nachgedacht: Ereignisse und Personen waren und sind es,  die uns spüren lassen: Gott trägt mich, Gott begleitet mich, Gott ist für mich da.
Jeder einzelne, aber auch ganze Familien, Völker und sogar Kontinente können so ihre Geschichte erzählen, wie sie der frohen Botschaft von Gott begegnet sind.
Wie die frohe Botschaft von Jesu Leben, Sterben und Auferstehen im Jahre 51  nach Europa, auf unseren Kontinent gekommen ist, das erzählt Lukas, der Arzt in der Apostelgeschichte.
Das Jahr 2051 ist dann das Jubiläumsjahr „2000 Jahre Christentum in Europa“.
Der Verfasser der Apostelgeschichte berichtet, dass der Apostel Paulus von der Berufung erfüllt war, das Evangelium über die engen Grenzen Palästinas hinaus in die ganze Welt zu tragen – gemäß dem Missionsbefehl von Mt. 28. 19f:
Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
So unternahm Paulus, der „Supermissionar“ Missionsreisen in die benachbarten Länder und gelangte schließlich über die heutige Türkei nach Mazedonien in Nordgriechenland. Dort betrat er zum ersten Mal europäischen Boden.
Wie das vor sich ging, dass die christliche Botschaft in den alten Kontinent Europa kam, davon berichtet die Apostelgeschichte im 16. Kapitel:
Der Ruf nach Mazedonien
9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!
10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen.
In Philippi
11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis
12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt.
13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.
Die Bekehrung der Lydia
14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde.
15 Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.
Eigentlich bräuchten wir nun erst einmal einen Atlas, um all die Ortsnamen bildhaft festzumachen: Troas, Samothrake,Neapolis, Philippi, Thyatira.  Das wäre etwas ganz konkretes.
Das könnten wir sogar jetzt gleich und hier machen  mit Google earth.
Der erste Satz ist ziemlich unkonkret und wirft Fragen auf:
9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht:
Hat Paulus nun eine Vision, eine Halluzination oder hat Paulus vielmehr einen Traum? Wie auch immer – Paulus hat eine Erscheinung, wieder einmal  – denn in Acta 9 wird berichtet wie aus Saulus, dem heftigsten Christenverfolger nach einer Erscheinung der Paulus, der engagierteste Christenvermehrer wird.
Paulus hat eine Erscheinung: „ Komm herüber und hilf uns!“
Ein Hilferuf steht am Anfang des christlichen Abendlandes und ich könnte sogar weiter gehen und sagen: „ Ein Hilferuf steht am Anfang eines jeden christlichen Lebens“.  Bei der Taufe ist es der Hilferuf der Behütung und Begleitung Gottes für das Neugeborene.
„Komm herüber und hilf uns“ – ja das passt auch zur Taufe.
Komm herüber und hilf uns“ – das ist der erste Schritt auf dem Weg des Glaubens – „ ich brauche Unterstützung, Hilfe, Begleitung.“
Paulus hat eine Erscheinung: „ Komm herüber und hilf uns!“ So wird der Hilferuf aus Mazedonien für Paulus das Signal, sich rasch auf den Weg zu machen. Ziemlich genau schildert nun die Apostelgeschichte den Reiseverlauf und die Ankunft in der Stadt Philippi, eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, einer römischen Kolonie.
Und nun? Was passiert? Paulus ist  in Mazedonien, in Philippi, in Europa – und es passiert nichts.  Von dem Mann im Traum – nichts zu sehen, auch sonst  keine Massen, die Paulus erwarten. Es passiert nichts!
Philippi übrigens war damals eine römische Garnisonsstadt, eine bedeutende Stadt. Sie erinnert an den König Philipp, den Vater von Alexander dem Großen.
Gerade hier in Philippi will sich Christus eine neue Welt erobern.
Paulus, der erfolgreiche Apostel und Missionar ist in Europa, in Philippi und beginnt dann ganz unscheinbar, mit einem Gespräch.
13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen.
Hallo, gerade Paulus, nicht gerade für seine feministische Ader bekannt – „ Mulier taceat in ecclesia“ (I. Kor 14,34) soll von ihm sein, gerade Paulus redet auf dem alten Kontinent mit Frauen, die sich am Sabbat am Fluss draußen vor der Stadt zum Beten versammelt haben.
Eine unter diesen Frauen war Lydia. Ihr tat der Herr das Herz auf.
14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, sodass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet wurde.
Oh welch eine Botschaft: Die Bekehrung der Lydia  vor den Toren der Stadt Philippi in Europa durch Paulus, der bekehrt wurde auf seinem Weg nach Damaskus.
Zum ersten Christen in Europa wird nun eine Frau.
Ein neuer Erdteil für das Reich Gottes wird erschlossen durch das aufgetane Herz einer Frau.
Mir gefällt dieser Gedanke. Frauen sind es ja auch in unserer Gemeinde, die sich für das Reich Gottes einsetzen. Was wäre unsere Gemeinde ohne das herzhafte Engagement der Lindas und Helgas, der Heidis und Kathrins, der Ruths und Giselas, der Hannis und Sigrids und unserer Kirchenvorsteherin Ute? (Renate ??anwesende im Blick haben. () Und das sind nur einige von vielen Frauen, die im Großen und Kleinen am Reich Gottes mitbasteln. Aber schauen wir zurück von Tittling nach Philippi:
Der Herr tat Lydia das Herz auf. Paulus und seine faszinierende Predigt waren es nicht; ein Menschenherz für das Wort Gottes öffnen, das ist Gottes Wirken, das ist Gottes guter Geist.
Und was tut der Mensch dazu?
Lydia, so wird berichtet, war gottesfürchtig. Sonst wäre sie am Sabbat zum Gebet auch nicht vor die Tore der Stadt gegangen.
Wir gehen ja auch in den Gottesdienst, um die Nähe zu Gott zu spüren, um Gott ernst zu nehmen, um ihn zu dienen und auch um uns von ihn am Herzen anrühren zu lassen, um uns im Glauben zu stärken.
Gottes guter Geist ist es, der heute wie damals Türen öffnet, wo es keiner ahnt. Gottes guter Geist ist es, der Lydia das Herz öffnet.
Und jetzt geschieht das, von dem ich bei jeder Taufe behaupte dass es das wertvollste ist, was Eltern ihren  Kindern mitgeben können:
Lydia lässt sich taufen.
Sie möchte dazu gehören – zur großen Familie Gottes, zu Jesus Christus, dem Gestorbenen und  dem Auferstandenen.
Die Taufe bestätigt: Gott hat mich gesucht und gefunden. Ich habe Gott gesucht und gefunden.
Wo das Hören zum Glauben führt, werden wir eine neue Kreatur, wie Paulus sagt (II.Kor. 5,17), das heißt, es beginnt für uns ein neues Leben, mit neuem Inhalt und neuem Ziel.
Das kann man an Lydia sehr schön beobachten.
Der Glaube spielt sich nicht nur in ihrem Kopf oder in ihrem Herzen  ab, er hat handfeste Folgen. Sie öffnet ihr Haus, lädt Paulus und seine Begleiter zu sich ein, ja nötigt sie hereinzukommen und macht Paulus und seinen Begleitern klar, dass die große Familie Gottes zusammenkommt und zusammengehört.
Der gemeinsame Glaube wird zu einer gemeinschaftsbildenden Kraft.
Das wünsche ich Ihnen und mir, liebe christliche  Gemeinde,
dass auch bei uns in der Gemeinde immer wieder der gemeinsame Glaube zur gemeinschaftsbildenden Kraft wird
dass wir unser Herz immer wieder für Gott öffnen und sein Wort unser Herz und auch unsere Hände erreicht
und dass wir Gottes Wort in unserem Leben anwenden und beibehalten.
Dann hat die Geschichte des Glaubens nicht nur damals in Europa, in Philippi begonnen, sondern wirkt bis zum heutigen Tag, auch bei uns und in unserer Gemeinde.
In Gottes Namen – Amen

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne. Amen