Predigt an Erntedank 2014 Lukas 12, 13-21

 

 

Die Kultur der Dankbarkeit

Szene 1: Der fleißige und geschickte und klug planende Landwirt
Zufrieden lehnt er sich zurück, der fleißige und geschickte Bauer, und streckt behaglich die Beine aus.
Es ist wieder einmal geschafft. Zumindest für dieses Jahr.
Die Ernte ist eingebracht, in Sicherheit.
Zusammen mit seinen Knechten hat er noch einmal einen Blick in seine Scheunen geworfen.
Er war zufrieden, mehr als zufrieden.
Er und seine Mitarbeiter haben sauber gearbeitet.
Und der Ertrag – grandios – fast ist er versucht, von einer Jahrhunderternte zu sprechen.
Nun lässt er das vergangene Erntejahr noch einmal vor seinem inneren Auge vorüberziehen.
Der Winter war nicht zu kalt und zu lange. Dann galt es, den richtigen Zeitpunkt für die Saat zu finden – und seine Entscheidung war goldrichtig – keinen Tag zu früh und keinen Tag zu spät.  Das hat er gut gemacht, sehr gut sogar.

Genauso wie der Trick mit dem anderen Saatgut. Obwohl ihn damals der Huber Bauer belächelte und der Nachbar ihm sogar davon abriet.
„Ich bin doch ein schlaues Kerlchen“, sagt er leise zu sich, „ich blicke einfach durch und riskiere auch etwas.“
Genauso wie damals, vor einigen Jahren, als er sich genau überlegt hatte, welche Felder er dazukaufen und welche Maschinen er anschaffen möchte.
„Gut bin ich, richtig gut“ sagt er halblaut und stolz vor sich hin. Und klopft sich mit der rechten Hand auf seine linke Schulter.
(Pause)
Nach einiger Zeit aber steht der Bauer auf, geht im Zimmer hin und her:
„Und jetzt, wie geht es weiter? Was mache ich daraus?
Klar! Ich muss dranbleiben, ich muss meinen Vorsprung ausbauen und im nächsten Jahr die Ernte weiter steigern. Genug ist nicht genug!
Und so geht der Bauer an seinen Aktenschrank und holt mit geübten Griffen den Plan seines Hofes heraus. Platz ist aktuell nicht mehr viel auf dem Hof. Alles ist gut ausgenutzt.
„Pass auf“ sagt er zu seiner braven Frau, die gerade in die Stube kommt, „so werde ich das machen. Die alte Scheune und den Holzschuppen reißen wir ab und an diese Stelle bauen wir gleich im nächsten Frühjahr eine hohe Großlagerhalle. Dann haben wir“, - er rechnet kurz – „112 % mehr Lagerkapazität. Und dann schlage ich wieder alle Ernterekorde und kann sogar den Getreidepreis erheblich mitbestimmen, so durch Vorhaltung oder künstlichen Engpass.“ Er atmet tief und stolz durch.
„Das mache ich dann noch zwei, drei fette Jahre und dann“ - „Was und dann?“ fragt seine Frau in einer Mischung von Neugierde und Schüchternheit.
„Und dann – dann bin ich der große Max – und mir kann rein gar nichts mehr passieren“.
Sprach’s, schenkte sich ein Glas guten Rotwein ein und ging dann sehr zufrieden mit sich und der Welt schlafen.

Szene 2: Die darauffolgende Nacht
„Oh, was ist das? Hilfe. Frau, hilf mir!
Ich hab so ein brutales Stechen voll hier, am Herz.
Hole einen Doktor. Schnell. Sonst krepier ich noch.“
Voller Schmerz wälzt sich der Bauer in seinem Bett. Angst packt ihn, große Angst. Angst ums Überleben.

Doch fast ähnlich schnell wie die Schmerzen kamen, gingen sie auch wieder.
Die Frau hat keinen Doktor geholt. (…)

Szene 3: Der nächste Tag
Am nächsten Morgen, nach einem dezenten Frühstück, schleicht sich der Bauer gedrückt in sein Arbeitszimmer.
Keinen Gedanke mehr an Erfolg und neue Scheunen bauen.
Er, der mit beiden Beinen so sicher im Leben stand, er ist nun völlig verunsichert.
Die verschiedensten Pläne gehen ihm durch den Kopf.
Was wäre gewesen, wenn das gestern Nacht ein echter Herzinfarkt gewesen wäre und er nie mehr aufgewacht wäre?
Was wäre gewesen, wenn es ein Schlaganfall gewesen wäre und er wäre halbseitig gelähmt?
Was ist eigentlich wirklich wichtig in seinem Leben?

Was hätten der Huber Bauer und sein Nachbar gesagt, wenn es ihn heute Nacht erwischt hätte?
Ach, und was hätte wohl der Pfarrer gesagt, der ihn beerdigt hätte.
Der Herr hat den fleißigen und guten Bauern mitten aus dem Leben abgerufen??
Der Herr – Gott – na, um den hat er sich schon lange nicht mehr gekümmert – warum auch, es lief doch alles super gut.
„Gottesdienstbesuch ist Zeitverschwendung – was soll ich da, da kann ich doch nichts verdienen“ – das hatte er seine Frau manchmal sonntags zugerufen, wenn sie in die Kirche ging.

Und jetzt die klare Frage für den schlauen Bauern: Was kommt nach dem Tod?
Wer erbt das alles?
Für wen habe ich geschuftet und manches auch hintenherum getrickst?
Was ist mir wichtig in meinem Leben – gewesen?
Was zählt wirklich?

Mit diesen Fragen im Kopf geht der Bauer nachdenklich zu seinem Hausarzt.

4. SPOT : das MATERIELLE
Es bleibt offen, welche Diagnose und welchen Befund der Hausarzt gefunden hat.
Nicht offen bleiben die Fragen, die den Bauern vor dem Arztgang bewegt haben.
Andererseits ist offensichtlich geworden, dass es ein Fehler ist, das ganze Leben nur auf materielle Dinge wie die größere Scheune und mehr Verdienst und Ertrag auszurichten.
Es ist offen geworden, dass es neben dem Materiellen auch Nicht-Materielles gibt.
Und es ist in der pastoralen Praxis häufig der Fall zu beobachten, dass materielle Dinge, die vorher sehr wichtig waren wie das eigene Haus, das hochglanzpolierte Auto und das schicke Handy plötzlich nahezu uninteressant sind.
Dann, wenn die letzte Stunde droht, das Jenseits herüberwinkt, dann werden die vormals wichtigen Dinge plötzlich höchstens zu den zweitwichtigsten.
So wie es Körper und Seele zu geben scheint, so scheint es materielle und spirituelle Werte zu geben, so scheint es Werte des Diesseits und Werte des Jenseits zu geben.

5. Spot:  Reich sein in der Seele
Die Geschichte vom Bauern ist aktuell und uralt, ist zeitgemäß und zeitlos, ist detailliert und trotzdem vielschichtig übertragbar.
Diese Geschichte wirft viele Fragen auf und gibt wenig sichere Antworten.
Die Geschichte ist so nah an der Wirklichkeit des Menschen, das sie in der Bibel steht. Im Lukasevangelium Kap 12, 13-21:

Warnung vor Habgier
13 Es sprach aber einer aus dem Volk zu ihm: Meister, sage meinem Bruder, dass er mit mir das Erbe teile. 14 Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch gesetzt? 15 Und er sprach zu ihnen: Sehet zu und hütet euch vor dem Geiz; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.
Der reiche Kornbauer

16 Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, das Feld hatte wohl getragen. 17 Und er gedachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, da ich meine Früchte hin sammle. 18 Und sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln alles, was mir gewachsen ist, und meine Güter; 19 und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! 20 Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wessen wird's sein, das du bereitet hast? 21 Also geht es, wer sich Schätze sammelt und ist nicht reich in Gott.