Gottesdienst am 17.02.2013 in Tittling
17.02. 10.00 Tittling – Der Stuhl Petri und der Fischer Petrus
( Lk 22, 31-34)

 
 

Lukas 22, 31–34
Jesus sprach zu Petrus:
Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.
Er aber sprach zu ihm:
Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.
Er aber sprach:
Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.
Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist. Amen.

I.
Liebe Gemeinde!
Am vergangenen Dienstag, den 12. Februar 2013, schlug diese Nachricht nachhaltiger in die Weltöffentlichkeit ein wie der Metereoriteneinschlag in die weiten Flächen Russlands.
Der Papst tritt zurück.
Der deutsche Papst Benedikt XVI, schon über 85 Jahre alt, will oder kann nicht mehr Papst sein und möchte sein Amt zurück und weitergeben.
Ich persönlich habe Respekt vor dieser Entscheidung.
Denn das Papstamt ist ein einmaliges Amt; ein überaus anstrengendes und anspruchsvolles Amt; schließlich steht der Papst als Oberhirte 1,2 Milliarden katholischen Christen weltweit voran und er vertritt durch seine Person sicherlich auch die anderen 800 Mio. Christen.
Wie viel Verantwortung. Wie viele weitreichende Entscheidungen  - bis hin zur Bischofsbesetzung von Passau und wie viel alltäglicher Kleinkram mögen zu diesem geistreichen Amt gehören.
Und wie belastbar ist ein Mensch mit 85 erfüllten und fleißigen Lebensjahren noch. Belastbar in körperlicher, geistigen und psychoscher Hinsicht.
Nicht nur. Aber auch aus diesen Gründen habe ich Respekt vor der Entscheidung des Papstes, die am nächsten Tag sechs Seiten der Süddeutschen Zeitung füllte,
Wir sind Papst titelte 2005 stolz die deutsche BLD Zeitung – acht Jahre später wird es wohl kein deutscher mehr auf den Stuhl Petri schaffen –als 267. in der langen Reihe der Nachfolge des Fischer Simon Petrus, jenes beherzten Jüngers auf den Jesus seine Kirche bauen wollte:
„ Und ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.
Ich will dir die Schlüssel des Himmelsreichs geben, und alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles , was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.
Dann gebot er seinen Jüngern streng, niemand zu sagen, dass er der Christus sei.“ (Matth. 16, 18-20)
Mit dieser einzigartigen Weise hat Jesus Petrus ausgezeichnet und beauftragt.
Jenen Petrus,  der beim letzten Abendmahl noch stolz seine Treue zu Jesus herausstreicht: „Wenn sie alle von dir abfallen, will ich doch niemals abfallen.“ (Mt 26,33)
Daraus ergibt sich ein Zwiegespräch mit dem Meister:
Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
Petrus sagte zu ihm: Und wenn ich mit dir sterben müsste, will ich dich doch nicht verleugnen…“ (Mt. 26,34f)

Doch schauen wir ein bisschen hinein in das, was uns von diesem letzten Abendmahl am Rande überliefert ist – vom Verhältnis von Petrus und Jesus Christus:

In einem Jerusalemer Haus sitzt Jesus mit seinen Jüngern beim letzten gemeinsamen Abendmahl zusammen. Nachdem die Mahlzeit beendet ist, wendet er sich Simon Petrus zu, der sich mit besonderem Nachdruck zu ihm bekannt hatte, als er sagte:
Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. (Matthäus 16,16)
Jesus redet ihn mit seinem angestammten Namen an und macht ihn auf die zerstörerischen Kräfte des Lebens aufmerksam:
Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.
In dem Gespräch mit Petrus erkennt Jesus vorausschauend, dass dessen Glaube in eine Krise kommen wird. Nicht umsonst hat Jesus diesem Jünger Simon den Beinamen „Fels“ – Petrus gegeben, ihn also als besonders glaubensstark eingeschätzt. Ein Fels – der ist hart, fest, stark, schwer. Nicht leicht zu zerstören. Ein Fels kann viel tragen, viel aushalten. Petrus ist kein Schwacher, er ist ein Überzeugter. Von der Sache und der Person Jesu Überzeugter.
Und doch: sein Glaube wird, so Jesus, in eine Krise kommen und aufhören.
Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.
Wie ist dieses Bild zu verstehen? Wahrscheinlich müssen wir uns ein Sieb vorstellen, in das der Weizen mit allerhand Unrat und Spreu hineinkommt. Dann wird kräftig geschüttelt, damit der Unrat und die Spreu sich vom Weizen lösen und die Frucht übrig bleibt. Und der Satan, der geht wohl davon aus: wenn ich nur die Christen alle recht schüttele, dann bleibt am Ende nichts im Sieb zurück. Da wird sich zeigen, dass Christen auch nicht anders sind als andere Menschen. Auch sie werden durch das Sieb fallen oder vom Wind weggeblasen. Gesiebt wie der Weizen: Dieses Bild umschreibt die Prüfungen, Versuchungen und Anfechtungen, vor die das Leben uns stellt.
Wer zu Jesus gehört, muss sich darauf einstellen, dass auch in seinem Leben gesiebt und geschüttelt wird, dass er vor Krisensituationen nicht verschont wird. Anfechtungen gehören zum Christenleben. Anfechtungen, die meinen Glauben, mein Vertrauen zu Gott in Frage stellen. Wenn ich zweifeln muss, ob Gott es wirklich gut mit mir meint. Das kann so weit gehen, dass ich meine, Gott sei gegen mich. Mein Glaube wird erschüttert und gerät ins Wanken.

Dieses Schütteln des Siebes, diese Anfechtungen des Glaubens
können ganz verschiedene, nahezu alltägliche, Gesichter annehmen:  die Katastrophe der Trennung von lieben Menschen; zerbrechende Beziehungen; Kinder, deren Wege wir nicht verstehen und nicht gutheißen können; Krisen des Glaubens; Angst vor der Zukunft, dem Alter, der Einsamkeit; eine schwere Krankheit. Dass alle Versuchungen uns erspart bleiben, ist niemandem verheißen. Das war bei den Jüngern Jesu nicht anders. Der Satan legte seine Hand an sie. Das führte zu Erschütterungen, zu Anfechtungen.
Der berühmte Liederdichter Paul Gerhardt war so einer, der gesiebt und geschüttelt wurde. Er lebte Mitte des 17. Jahrhunderts, mitten in den Nöten und Wirren des 30jährigen Krieges. Vier seiner fünf Kinder musste er selbst zu Grabe tragen. Als Paul Gerhardt im Jahr 1666 sein Amt als Pfarrer verlor und Berlin verlassen musste, saß er mitsamt seiner Familie buchstäblich auf der Straße. Seine Frau war darüber so verzweifelt, dass es ihr beinahe das Herz brach.
Paul Gerhardt antwortete auf diese Verzweiflung mit dem Lied:
„Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.
Als Paul Gerhardt am 27. Mai 1676 in Lübben im Spreewald gestorben war, versah man sein Bild in der Kirche, die heute seinen Namen trägt, mit einer Unterschrift: „In Satans Sieb gerüttelt und bewährt.“ Paul Gerhardt wurde durch alle Anfechtungen hindurch getragen. Er wurde kräftig geschüttelt, ist aber nicht durch das Sieb durchgefallen. Er hat gewusst: Es ist Gott, der ihn hält und bewahrt. Aus den Zusagen Gottes in der Bibel schöpfte er seine Kraft. Seine Lieder legen davon Zeugnis ab. Bis heute geben seine Lieder Menschen in Anfechtungen Trost und Kraft.

Und ich würde mir wünschen, wenn wir unsere nächste Gemeindefahrt in den Spreewald machen, dass wir dieses Grab von Paul Gerhardt aufsuchen, dessen Lied „ Befiehl du deine Wege“ wir in fünf Versen vor der Predigt gesungen haben.

II.
In dem Gespräch nach dem letzten Abendmahl nimmt Petrus eindeutig den Mund zu voll:
Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Das klingt nach Ahnungslosigkeit und Selbstüberschätzung. Petrus hat das Gefängnis noch nicht gesehen, er hat die Folterinstrumente noch nicht gespürt, er stand noch nicht dem Tod gegenüber. Noch ist er fest davon überzeugt, dass ihn nichts von Jesus wegbringen könnte.
Und dann muss er sich von Jesus sagen lassen, dass sein Glaube doch nicht so stark ist, wie er sich das vorstellt. Jesus hält ihm entgegen: Du willst mit mir ins Gefängnis und in den Tod gehen, aber es kommt eine ganz andere Situation auf dich zu: noch vor Morgengrauen wirst du mich dreimal verleugnen.
Es gibt im Leben Momente, wo unser Bekenntnis zu Gott, zu Jesus Christus und zum christlichen Glauben einfach nicht passt.
Komisch, zu den Bayern, zum Club, sogar zu Fortuna Düsseldorf bekennt man sich gerne, aber zu Jesus Christus , manchmal komisch, brenzlig für uns, - tröstlich ist es , dass es manchmal sogar brenzlig für einen so überzeugten Jünger wie für Simon Petrus ist, sich zu Jesus Christ zu bekennen. Und doch erwarte ich es von mir, von den Mitgliedern unserer Gemeinde, und in besonderer Weise gerade auch von Euch, unseren Konfirmanden.
Petrus wird von Jesus in seine Grenzen gewiesen. Menschen sind oft gar nicht so fest im Glauben, wie sie selbst meinen.
Darum betet Jesus für Simon Petrus, darum betet er auch für dich und mich, dass unser Glaube nicht aufhöre:
Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.
Jesus bittet Gott darum, dass unser Glaube nicht zu Ende gehe, nicht leer werde. Auch nicht in den Notzeiten unseres Lebens. Auch nicht, wenn wir, wie Petrus, auf die Probe gestellt werden.
Jesus will Petrus nicht vor der Versuchung bewahren. Er bittet nicht, dass dem Petrus die Anfechtung, das Versagen erspart bleibt. Er will ihn durch die Versuchung bei sich behalten.
Petrus soll erfahren, dass er nicht allein auf dem schweren Weg ist. Jesus hat Petrus nicht aufgegeben. Er lässt keinen fallen, der mit leeren Händen, mit seinem Versagen zu ihm kommt.
Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.
Dieser Satz ist wie eine uns schützende Burg, in die man sich hineinrettet.
Wer wie Petrus zu Jesus umkehrt und seine Schuld vor ihn bringt, der erfährt Vergebung und einen Neuanfang. Unser Glaube lebt nicht durch unsere eigene Standhaftigkeit, sondern allein deshalb, weil Jesus uns trägt. Im Glauben gibt es keine Helden, sondern nur Gehaltene.
Und – um auch hier den Bogen zu den Kirchenfürsten zu schlagen: auch Pfarrer, Dekane, Bischöfe, ja selbst der Papst, sie alle sind zunächst keine Helden des Glaubens , sondern nur Gehaltene im Glauben.
Das Christsein des Petrus endete nicht in der Nacht, als er Jesus dreimal verleugnete und der Hahn krähte. Dieses komplette Versagen war sicher ein tiefer Einschnitt, gerade weil er kurz vorher den Mund so voll genommen hatte. Und alle hatten es mitbekommen! Wie sollte Petrus jemals wieder vor die anderen und vor allem vor Jesus treten? Tiefe Trauer und Scham ergriffen Petrus. Er weinte bitterlich, heißt es. Aber das hindert Jesus nicht, seine Pläne mit Petrus weiterzuführen:
Wenn du dich dereinst bekehrst, so stärke deine Brüder.
Dieses kleine Wörtchen – dereinst – zeigt etwas von dem ungeheuer langen Atem, den Jesus im Umgang mit den Menschen hat. Da ist nichts zu spüren von der drängenden Ungeduld, die so oft unseren Umgang mit anderen prägt: Wenn du willst, dass ich zu dir stehe, dich bejahe, dann ändere dich, und zwar sofort!
Bei Jesus ist das ganz anders: Kein Drängen, keine Ungeduld. Stattdessen umso mehr Zutrauen, ein langer Atem, der keinerlei Druck macht, sondern eher entlastet.
Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.
Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.
Der Petrus, dessen Schwäche offensichtlich wurde, der soll andere stark machen. Er, der auf der ganzen Linie versagt hat, bekommt Verantwortung für andere übertragen. Er soll anderen beistehen, die gerade im Sieb des Satans geschüttelt werden. Er soll seine Brüder und Schwestern stärken. Er soll für andere beten, die Anfechtungen und Zweifel durchleiden. Aus dem heraus, was er selbst erlebt hat, wird er anderen ihr Vertrauen auf Gott stärken.
„Wer gelitten hat, wird verstehen können.
Wer verwundet war, wird heilen können.
Wer geführt ist, wird weisen können.
Wer getragen ist, wird tragen können.

Tragen wir uns gegenseitig im Glauben, ertragen wir uns gegenseitig, vertragen wir uns gegenseitig, stärken wir uns im Lachen und Weinen. Mit und ohne deutschem Papst, in der Nachfolge der Jünger und des Jüngers Petrus halten wir uns an dem Leitspruch des Apostel Paulus:
Römer 12,12:  „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an Gebet.“  In Gottes Namen – Amen
Th.Plesch/lego 16.02.1