Gottesdienst am 03.02.2013  Themapredigt: Holocaust Gedenktag
 
 

Liebe Gemeinde !

Welches aktuelle Thema steht heute in der Predigt an ?

Themen gäbe es viele – zum Beispiel, wie schön es ist ist, wenn man gesund und munter im Kreise der Familie und vielen Freunden einen hohen Runden Geburtstag feiern kann – Gott sei Dank – ein Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand, geborgen im Glauben.

Oder das oberflächliche Thema , das gestern die Überschrift der PNP abgab: Fasching in Veitshöchheim – Franken Helau… Und warum es gut sein kann, lachend auf den einen oder anderen Missstand hinzudeuten und das Verhalten der politischen Verantwortungsträger zu hinterfragen.

Oder das ethische Thema, das gestern gleich darunter in der PNP steht: Genarbeiten an Embryos erlaubt – Bundestag verabschiedet das Gesetz zur erlaubten PräImplantationsDiagnostik , kurz PID genannt.

Um den Heidelberger Homiletikprofessor Rudolf Bohren zu zitieren, der sagte, eine Predigt müsse so aktuell sein, dass auch noch die 8.00 Nachrichten in den die zehn Uhr Predigten eingearbeitet werden können, möchte ich den Blick auf das aktuelle Geschehen legen, das gestern auf Seite Drei der PNP stand: Schicksal Stalingrad und am Donnerstag die Titelseite beherrschte: Holocaust Gedenktag im Bundestag.

Oh ja, in Bezug auf unsere NS Vergangenheit und die Vergangenheitsbewältigung durch Gedenken eine bewegende Woche: „ und vergib uns unsere Schuld..“

30.Januar 1933  vor 80 Jahren: Machtergreifung der NSDAP und Adolf Hitlers
02. Februar 1943 – vor 70 Jahren Die Schlacht um Stalingrad findet ihr Ende und wird zum Wendepunkt des II.Weltkrieges
27.Januar 1945  Befreiung des KZ Auschwitz -Birkenau

„Gedenke wir an das Vergangene, damit wir es zukünftig nicht noch einmal erleben müssen“ – mit diesem Sinnspruch aus dem KZ Dachau ist es sicherlich auch christliche Verantwortung zurückzuschauen, zu gedenken, zu bekennen, um mit dem geschärften Blick des Gedenkens verantwortlich in das jetzt und in das Morgen schauen zu können.

Seit 1996 ist der der 27.Januar der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus; dieser 27.Januar bezieht sich  auf den Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau , jenes KZ, das wir im Rahmen unserer Gemeindereise nach Breslau und Krakau im Jahre         auch besucht haben. Das KZ Auschwitz wurde durch die Rote Armee befreit.

Seit 1996 ist jener 27.Januar, das war letzter Sonntag, ein bundesweiter, gesetzlich verankerter Gedenktag. In der Bundesrepublik  werden an diesem Tag an öffentlichen Gebäuden Trauerbeflaggung gesetzt.
Roman Herzog, ein Landshuter Pfarrerssohn, der 1996 Bundespräsident ist, führt in seiner Proklamation aus:

„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“

Jener 27.Januar, der seit 1996 in der Bundesrepublik als Gedenktag begangen wird,  wird im Jahre 2005 von den UN , den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust erklärt.

Zum 65. Jahrestag der Befreiung , im Jahre 2010  spricht erstmals ein israelitischer Staatspräsident, Schimon Peres zum Deutschen Bundestag. Als erster Vertreter der Sinti und Roma hält der Niederländer Zoni Weisz im Jahre 2011 im Bundestag bei der Gedenkveranstaltung die Rede, 2012 war er mit Marcel Reich-Ranicki ein Zeitzeuge und diese Woche hielt die deutsch-israelitische Schriftsellerin Inge Deutschkron eine bewegende Rede und hält den Blick auf die Alltagsfolter.
Deutschkron ist jetzt 90 Jahre alt, ist in B und Berlin geboren und aufgewachsen und berlinert auch in ihrer Rede im Bundestag.
Ihr Vater, ein anerkannter jüdischer Pädagoge emigriert kurz vor Kriegsbeginn nach Großbritannien, Tochter und Mutter bleiben in Berlin und müssen bald den Judenstern tragen, den Deutschkron verächtlich „gelben Lappen“ nennt.

"Du gehörst nun zu einer Minderheit." Diesen Satz hörte die knapp elfjährige Inge Deutschkron  von ihrer Mutter, nachdem die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 die Macht übernommen hatten.
 Diskriminierung, Verfolgung, Rettung – die inzwischen 90-Jährige gehört zu den nur etwa 1700 von einstmals 200.000 Berliner Juden, die den Holocaust überlebt haben. "Zerrissenes Leben" nannte Inge Deutschkron ihren Vortrag, den sie im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel und anderen hochrangigen Vertretern des gesellschaftlichen Lebens hielt.
"Lass Dir nichts gefallen, wehr' Dich", habe ihre Mutter damals auch zu ihr gesagt. Dieser Satz habe ihr ganzes Leben bestimmt. Eindringlich erinnerte Inge Deutschkron an die Angst "vor Schritten im Treppenhaus". Das untrügliche Zeichen dafür, dass womöglich wieder Nachbarn "abgeholt" wurden. Vor der Machtübernahme durch die Nazis sei zu Hause "immer viel gelacht worden". Hier verweise ich auf den Anfang der Predigt, den Fastnacht in Franken,  und wie schön es ist, auch über triviale Sachen lachen zu können und wie gut es ist, wenn sich Politiker dem stellen können.
Die Heiterkeit, führt Inge Deutschkron dann aus,  verschwand schlagartig mit dem Beginn der neuen, der NS-Zeit.

"Mit welchem Recht verstecke ich mich?"
Der Vater, der freiwillig am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, wurde aus dem staatlichen Schuldienst entlassen. Während ihm die Emigration nach England glückte, überlebten Inge Deutschkron und ihre Mutter im Berliner Untergrund. Dabei erlebte sie auch immer wieder Zeichen der Mitmenschlichkeit. Fremde hätten ihr in der U-Bahn heimlich etwas in die Taschen gesteckt, "mal einen Apfel, mal eine Fleischmarke". Andere hätten sie mit Verachtung angeschaut, "Grimassen gezogen". Die Mehrheit der Deutschen habe weggeguckt. Vor der systematischen Deportation lebte Inge Deutschkron in einem der sogenannten Judenhäuser. Das bedeutete unter anderem "kein Telefon, kein Radio". Kulturveranstaltungen und Spaziergänge im Grünen waren verboten.

Und dann ab Oktober 1941 die Transporte in Richtung Osten. Sie sehe die Menschen noch heute vor sich, "von Schrecken erstarrt". Keinen Schrei habe sie gehört, kein Aufbegehren. Sie habe begonnen, sich schuldig zu fühlen. "Mit welchem Recht verstecke ich mich?" Dieses Gefühl der Schuld habe sie nie wieder losgelassen, sagte Inge Deutschkron.

Zu Beginn der Gedenkstunde hatte Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) an den 30. Januar 1933 erinnert. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten "begann das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte". Die zwölf Jahre bis Kriegsende 1945 seien eine "Ewigkeit des Grauens" gewesen. Die Machtübernahme, sagte Lammert, sei "kein Betriebsunfall" gewesen. Unter Hinweis auf die rechtsterroristische Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) mahnte Lammert, die Demokratie müsse "mit Leben erfüllt und täglich verteidigt werden".

Mitglieder der christlichen Kirchen, und so sehe ich das mit der Verantwortung, tragen in besonderer Weise dazu bei, dass wir zurückschauen und nach vorne schauen und fragen was dem Willen Gottes entspricht. Die Schuld von gestern können wir noch weg von uns weisen, und sagen, wir haben damit nichts oder wenig zu tun. Wir aber sieht es aus mit der Schuld von heute und morgen. 
Stichwort PID –   Evtl. möglicherweise behinderte Kinder sollen gar nicht geboren werden; wir wollen eine saubere, gesunde, leistungsfähige Gesellschaft – aber da sind wir fast schon wieder in den 1920 Jahren als die „Eugenik“ – „gute Geburt“ den gedanklichen Nährboden auch für Hitlers Vernichtung von „lebensunwertem Leben“ bereitet hat.
Die Frage also, ob es in christlichem Sinn gut und verantwortlich ist, Gentests an Embryonen zu erlauben, steht auch in der sehr belasteten Tradition unseres Landes, den Wert des Lebens staatlich zu regulieren.   Und vergib uns unsere Schuld. 
In Gottes Namen Amen

Thomas Plesch am 02.02.2013