Predigt zur Einheit der Christen am 21.01.2012
in der Unterkirche zu Tittling
 
 

Mit Gott gehen (Mi 6,6-8)

 
 

Liebe katholische und evangelische Mitchristen !

„Mit Gott gehen“ mit diesen Worten des alten Propheten Micha ist der diesjährige Gottesdienst zur Einheit der Christen überschrieben.
Zum zwölften Mal wohl treffen wir uns heute und es ist mehr als ein gemeinsamer Gottesdienst – es ist ein Zeichen des Interesse, dass wir zusammen – als katholisch und evangelische Christen aus Tittling und Umgebung mit Gott gehen und aufeinander zu gehen, um unsere Einheit im Glauben nach innen und außen zu stärken.

Einer der bewegendsten Texte des Neuen Testamentes haben wir gerade in der Lesung des Evangeliums gehört.
Jesus geht mit den so genannten Emmaus Jüngern ein Stück weit mit, auch wenn sie blind sind in ihrer Trauer, in ihrem kurven um sich selbst.
Sie sehen nicht das Neue, sie sehen nicht den Willen Gottes und sie beide sehen nicht die „Zeichen der Zeit“.

Sicherlich ist es komisch, wenn ich als evangelischer Pfarrer Werbung mache für eine bemerkenswerte Veranstaltung der kath. Erwachsenenbildung am kommenden Freitag im Kloster S. Nikola.

Der Wille Gottes und die „Zeichen der Zeit“ – Studientag zum Leben und Wirken von Papst Johannes XXIII (1881-1963) heißt diese Veranstaltung, die den Konzilspapst würdigt.

Das Zweite Vatikanische Konzil ( ab jetzt: Vat II) begann am 11.Oktober 1962, also vor genau 50 Jahren. Das Vat II war in gewisser Weise auch ein Startschuss für die Ökumene. Und so gesehen ist es unglaublich und mit großen Augen der Dankbarkeit zu sehen, wie sich die röm.-kath. Kirche und die ev.-luth. Kirche

  1. um nun nur diese beiden Konfessionen in ihrem Verhältnisgefüge zu betrachten –

in diesen fünfzig Jahren positiv aufeinander zu entwickelt haben.

(Das  Erste Vatikanische Konzil fand 1869/1870 statt und widmete sich v.a. ekklesiologischen Fragen.)
Das Vat II wurde von Papst Johannes XXIII mit dem Auftrag zu pastoraler und ökumenischer „instauratio“ (Erneuerung; ital.:aggiornamento) einberufen.
Es galt , sich nun mit de Moderne auseinanderzusetzen und zu überlegen, wie sich die röm.-kath.Kirche mit den weltweiten Entwicklungen nach dem II. Weltkrieg verhält und wie sie auch Kirche in der Zeit und für. die Zeit sein kann

 

Insgesamt waren 3.044 Teilnehmer, die in der Zeit vom 11. Oktober 1962 – bis zum 8. Dezember 1965 nachhaltig über die theologische Grundlinie der katholischen Kirche nachgedacht hat.

Johannes XXIII hatte einberufen, aber auch die späteren Päpste Johannes Paul I, Johannes Paul II und der heutige Papst Benedikt XVI waren dabei.

Von den Diskussionsthemen * Kirchenreform * Anpassung der Kirche an die moderne Welt, Ökumene, nichtchristliche Religionen und Liturgie soll unser heutiger Focus nur auf die Ökumene gerichtet sein.

Auf dem Vat II wurden 16 Dokumente verabschiedet, die in ihrer Reichweite von Recht in drei Kategorien der Aussagekräftigkeit eingeteilt werden müssen:

  1. 4 Konstitutionen
  2. 9 Dekrete
  3. 3 Erklärungen/Deklarationen

Von den vier Konstitutionen sind zwei dogmatischer und eine liturgischer Art.
In den Konstitutionen sind zentrale Aussagen des Konzils zu sehen; Konstitutionen sind Regeln auf Dauer und haben nach dem Dogma die höchste lehramtliche Gültigkeit.
Ein Dogma ist feierlich und unwiderruflich, noch eine Stufe höher.
Dekrete sind Spezialisierungen.

Das Vat II in seinen Bezugsfeldern zur Ökumene

Das Vat II ist „die große Fraktur“, es gibt entscheidende Unterschiede im Ökumeneverständnis zwischen vorkonziliar und nachkonziliar.

Dafür ist im Vat II folgendes Dekret verantwortlich:

UNITATIS REDINTEGRATIO – Über den Ökumenismus
!Dekret! nächste Stufe nach Konstitution !
Bisher war (Pius XII, 1954) ganz klar: Ökumene=Rückkehr-Ökumene
Es gibt nur eine Kirche (=katholische Kirche), dann gibt es noch Schismatiker und Sekten.

Nun aber gibt es eine völlige neue Sichtweise, die es denkbar macht, neu und anders über die Einheit der Kirche oder die Einheit der Kirchen nachzudenken:
Vorwort Unitatis Redintegratio

  1. Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils. Denn Christus der Herr hat eine einige und einzige Kirche gegründet, und doch erheben mehrere christliche Gemeinschaften vor den Menschen den Anspruch, das wahre Erbe Jesu Christi darzustellen; sie alle bekennen sich als Jünger des Herrn, aber sie weichen in ihrem Denken voneinander ab und gehen verschiedene Wege, als ob Christus selber geteilt wäre. Eine solche Spaltung widerspricht aber ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen.

 

In der dogmatischen Konstitution finden wir in Artikel 8 Lumen gentium.
Die  Kapitel von Lumen gentium beschreiben die Kirche in ihrem Eigenverständnis und in ihrem Endbild. Es ist eine Änderung in der Haltung der kath. Kirche eingetreten.
Freilich, ein Konzil ist keine Revolution, sondern Teil einer Entwicklung.
Die Sprechweisen, die die Ökumene positiv bewerten, wurden aufgenommen.
Im Ökumenismusdekret wird erstmals festegestellt, dass es auch außerhalb der (kath.) Kirche Heil geben kann. Die Taufe auch von anderen kirchlichen Gemeinschaften  wird anerkannt; der Geist Christi würdigt auch andere christliche Gemeinschaften.
„Ebenso sind diese getrennten Kirchen (19) und Gemeinschaften trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet.
Dennoch erfreuen sich die von uns getrennten Brüder, sowohl als einzelne wie auch als Gemeinschaften und Kirchen betrachtet, nicht jener Einheit, die Jesus Christus all denen schenken wollte, die er zu einem Leibe und zur Neuheit des Lebens wiedergeboren und lebendig gemacht hat, jener Einheit, die die Heilige Schrift und die verehrungswürdige Tradition der Kirche bekennt. Denn nur durch die katholische Kirche Christi, die das allgemeine Hilfsmittel des Heiles ist, kann man Zutritt zu der ganzen Fülle der Heilsmittel haben.  (…)
Aber gerade die Spaltungen der Christen sind für die Kirche ein Hindernis, dass sie die ihr eigene Fülle der Katholizität in jenen Söhnen wirksam werden lässt, die ihr zwar durch die Taufe zugehören, aber von ihrer völligen Gemeinschaft getrennt sind. Ja, es wird dadurch auch für die Kirche selber schwieriger, die Fülle der Katholizität unter jedem Aspekt in der Wirklichkeit des Lebens auszuprägen.
Mit Freude bemerkt das Heilige Konzil, dass die Teilnahme der katholischen Gläubigen am ökumenischen Werk von Tag zu Tag wächst, und empfiehlt sie den Bischöfen auf dem ganzen Erdkreis, dass sie von ihnen eifrig gefördert und mit Klugheit geleitet werde. (I.Kap.4)
Das Konzil gibt ein großes Aufbrauchsignal in der (kath.) Kirche, auch in Bezug auf die Ökumene, zumindest bis Ende der 1970er, Mitte der 1980er Jahre.
Allerdings sind die Erwartungen der Gläubigen schneller gewachsen als die Denkweise der Kirchenleitung
Der Geist des Konzils ist eindeutig ein reformierender Geist (O.H.Pesch)
Wie aber bei einer guten Uhr das Pendel einmal in diese und dann in jene Richtung ausschlägt, so mag es auch in der Kirche und in den Kirchen sein.
Als leichte Gegenbewegung des Pendels könnte man die Deklaration „Dominus Iesus“ vom August 2000  betrachten, in der einmal mehr  die Anmahnung der bischöflichen Verfasstheit zum Ausdruck gebracht und die apostolische Nachfolge nur in der katholische Kirche , der una sancta catholica gesehen wird.
Hier wurden die sichtbarsten Veränderungen gebracht und diese haben zu einer Art Umbruch in der (kath.) Kirche geführt.
„Jesus Christus ist gegenwärtig, wenn das Volk sich versammelt.“
Lukas 24,32: Und sie sagten zueinander: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er (sc.Jesus) mit  uns auf dem Weg redete und uns dabei die Schrift öffnete.“
Mit Gott gehen, mit Gott auf dem Weg des Lebens sein, unser Herz für die Botschaft Gottes brennen lassen und spüren, Gott meint es gut mit uns , mit mir, ohne dass er zuerst fragt: „Bist Du katholisch, bist Du evangelisch, bist du orthodox.“  das ist mein Wunsch, meine Bitte für ein gutes und glaubwürdiges christliches Miteinander im Markt Tittling und weit darüber hinaus.

Thomas Plesch am 21.Januar 2012