Predigt am 13.03.2011
Genesis 3, 1-19 Der Sündenfall („lapsus“)

 
 
 

Liebe Gemeinde !

1.) Einordnung

Die ersten elf Kapitel des ersten Buches der Bibel enthalten viele urtümliche, die Wurzel von Gott und Mensch betreffenden Geschichten.
Das sind zunächst die beiden Schöpfungsberichte in Genesis 1+2, dann kommt der Mensch, beschrieben in seiner tiefen Sehnsucht.
Es schließt sich die erste Neid und Mord-Geschichte (Kain und Abel) an.
Geweitet von einer Familie auf eine ganze Stadt betrachtet können wir die Loslösung von Gott und dessen verheerenden Folgen betrachten in der Geschichte, in der die Arche Noah wunderbare Rettung erfährt (Gen 6-9), ehe abschließend mit einem maßlosen Bauprojekt der Größenwahn des Menschen gezeichnet wird (Turmbau zu Babel, Gen 11).
All diese Geschichten haben sich im Laufe der Menschheit ungezählt wiederholt und in Abänderungen können wir die ur-tümlichen Verhaltensmuster der Menschen bis heute immer wieder neu entdecken.
Immer wieder tat und tut der Mensch nicht das Gute, sondern das Böse.
Immer wieder entfernt er sich von Gott und möchte selbst größer und bedeutender sein.

2.) Der lapsus

In der Urgeschichte lesen wir im 3. Kapitel die Geschichte der ersten Menschen mit Gott: Adam und Eva
Adam, hebräisch adamah – der Erdling, der aus Erde gemachte, der Irdische.
Und Eva bedeutet die „Mutter allen Lebens“.
Der Erdling und die Mutter alles Lebens das erste Paar – sie leben paradiesisch gut. Paradies heißt übrigens nichts anderes als der Garten Gottes – und nicht umsonst pflegen viele ihre Garten als wäre er ein kleines Paradies.
Nun denn, Adam und Eva leben und lieben zwar nicht in Saus und Braus, aber in Frieden und Harmonie – im Einklang mit der Natur und ohne Scham und Versteckspiel vor einander.
Sie leben und lieben fast grenzenlos gut.
Aber das ist – typisch, urtümlich Mensch - eben nicht gut genug.
Fast grenzenlos ist nicht grenzenlos, also hat der Mensch das Bestreben die einzige Grenze los zu werden.
Die einzige Grenze ist in diesem Fall der Genuss von der Frucht an dem Baum der Erkenntnis.
„ Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet!“
Mit diesem göttlichen Verbot war der Baum Tabu, verbotene Zone.
Typisch Mensch – ist etwas verboten, ist es gleich doppelt interessant.
Die Schlange – ein kunstvolles Bild, ein Symbol, ein Synonym –weiß, womit man locken kann. Die Verführer aller Zeiten wussten und wissen, wo unsere Schwachstellen sind, wo und wie wir unsere moralischen Grundsätze über Bord werfen, wenn das Angebot verlockend genug ist.
„ Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, sondern Gott weiß: an dem Tag, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“
Das ist also das unmoralische Angebot: der Mensch kann sein wie Gott, das Geschöpf kommt auf eine Stufe mit dem Schöpfer, der letzte Unterschied zwischen oben und fast ganz oben wird nun verwischt.
Oh ja, es steckt urtümlich im Menschen drin ganz nach oben zu kommen, sich von niemandem, auch nicht von Gott etwas sagen zu lassen, selber gottgleich zu sein.
Bei den alten Ägyptern war der Pharao gottgleich und auch gut 1.500 Jahre später haben sich die römischen Kaiser gottgleich verehren lassen.
„Du wirst sein wie Gott, wenn du davon isst.“
Was gibt es Schöneres, Größeres, Bedeutenderes ?

Doch es kommt ganz anders.
Da wurden ihnen die Augen aufgetan und sie erkannten, dass sie nackt waren.“
Ihr ganzes verkehrtes Tun erkannten die beiden plötzlich.
Nackt und verschämt lagen ihre Fehltritte offen da.

Nackt, – nicht bekleidet und verkleidet, nichts muss versteckt werden –
der Mensch ohne Schamgefühl und ohne Minderwertigkeit kann sich so annehmen wie er ist.
Das sind paradiesische Zustände – ein krasser Kontrast zu unserer jetzt Zeit, wo es Menschen gibt, die ihren Körper nicht so annehmen können wie er ist und sich eine neue Nase oder einen neuen Busen modellieren lassen.
Nackt sein vor sich und vor anderen und sagen können:
„Ich bin wie ich bin und es ist gut so.“

„und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze“
Oh ja, die unbekümmerte Nacktheit ist vorbei.

„Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes.“
Schuldgefühle in sich habend, ein schlechtes Gewissen mit sich herum tragend, sich nicht finden lassen, sich nicht anreden und fragen lassen – das gab es damals und das gibt es heute – typisch, urtümlich Mensch.
Ich zeige mich, wenn es mir gut geht und ich ziehe mich zurück, ziehe mir die Decke über den Kopf, suche einen unentdeckten, ruhigen Winkel , wenn es mir schlecht geht.
Adam und Eva geht es schlecht – sie haben etwas Grundlegendes falsch gemacht und können es nicht mehr rückgängig machen; Adam und Eva haben das Vertrauen ihres Schöpfers missbraucht. Sie haben sein einziges Verbot nicht akzeptiert.
Die Missachtung des einzigen göttlichen Verbotes und die Sehnsucht, sein zu wollen wie Gott führen dazu, dass zwischen Adam & Eva einerseits und Gott andererseits ein Graben entsteht.
Schöpfer und Geschöpf leben nicht mehr in enger und offener Harmonie, sondern im Versteck und in der Enttäuschung.
Gott wird von den Menschen enttäuscht.
Aber nun hier eine kritisch theologische Frage:
Warum hat Gott diese Enttäuschung zu gelassen – warum hat Gott zugelassen, dass die Menschen vom Baum der Erkenntnis essen.
Er kennt sie doch , und er hat sie geschöpft – hätte er den Menschen nicht so schöpfen können, dass er gehorsam ist und in guter, offener Harmonie mit ihm paradiesisch lebt?
Also der ganze Lapsus ein Planungsfehler, ein Denkfehler Gottes ?
Schöpfer und Geschöpf leben nicht mehr in enger und offener Harmonie, sondern im Versteck und in der Enttäuschung.
„Adam wo bist du ?“ - “Erdling, wo bist du?“
Erdling, warst du mit der Erde nicht zufrieden, mit dem Garten Gottes auf der Erde, dem Paradies ?
Warum versuchst du, dich zu verstecken, dein Tun zu verstecken und zu verschleiern?
Warum kannst du nicht einfach Antwort geben und Verantwortung übernehmen?
„Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist?“
Das warst du doch schon immer. Das hat dich doch noch nie gestört.
Aber bei dir hat sich irgendetwas verändert.
Du hast einen neuen Blick bekommen.
Eine Wahrnehmung des Äußeren, eine Wahrnehmung, die nicht typisch ist für das Paradies , sondern für die Welt außerhalb des Paradieses.
Eine Wahrnehmung in einer Dimension, die du bisher nicht gebraucht hast.
„Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?“
Die direkte Frage nach der Bereitschaft, die Wahrheit zu sagen und Verantwortung zu übernehmen.
Was dann kommt, ist typisch, ur-tümlich menschlich und gibt es bis heute.
Der Schuld verschiebe bahnhof.
Ich wars nicht – es war die Frau, die du mir gegeben hast.
Ich wars nicht – es war die Schlange, die mich betrogen hat.
Schuld - nicht annehmen und bekennen – leugnen und weitergeben.
Es war ja sogar im Paradies so, warum sollte es außerhalb des Paradieses besser sein.
Schuld – keine Bitte um Vergebung – da ist es aus bei Gott, dem Schöpfer.
Wer nicht hören will, wer nicht zugeben und eingestehen will, wer keine Verantwortung übernehmen will, der bekommt neue Spielregeln.
Nach Geschlechtern getrennt und doch aktuell bis zum heutigen Tage:
„ Ich will die viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären.“
Die Frau bekommt zuerst ihr Los mitgeteilt und es ist ein genuin weibliches Los: Schwangerschaft mitunter heftig, Geburt mitunter mühsam.
Sicherlich wird der Hinweis auf diese biblische Stelle kein Trost sein für all die jungen Frauen, die 20, 30, 38 Stunden benötigen, um ihr Kind entbinden zu können.
Nebenbei bemerkt : wie eine paradiesische Schwangerschaft und Entbindung aussehen würde, wissen wir nicht, da Evas Kinder – (Kain und Abel sind die bekanntesten; Sem kam später und es muss auch noch Mädchen gegeben haben)
alle erst nach dieser göttlichen Konsequenz auf die Welt kamen.
Gott sei Dank –aus der Sicht des Mannes- beschränkt sich diese Konsequenz auf
die „Evas“ auf die Mütter alles Lebens.
Und doch auch den Erdlingen, den Adams, den Männern kommt eine erschwerte Aufgabe zu:
„ Mit Mühsal sollst du dich vom Acker nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen. (..) Und im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zur Erde werdest, wovon du genommen bist.“
Der Fluch der Arbeit, der harten , dornenreichen und mühsamen Arbeit.
Aber wäre ein Leben ohne Arbeit überhaupt vorstellbar – das wäre ja paradiesisch und vielleicht auch langweilig ?
Nach diesen beiden lebenserschwerenden Sonderaufgaben kommt noch die dritte Konsequenz:
„Und Gott trieb den Menschen aus dem Garten Eden hinaus und ließ lagern vor dem Garten die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.“

Freilich fehlt nun die Auflösung dieses lapsus, die wir in der Adam Christus Typologie in Röm. 5, 1-11 finden- dies wäre freilich wieder eine eigene Predigt.