Eine heftige Geschichte,
eine nahezu übermenschliche Geschichte oder soll ich besser sagen unmenschliche Geschichte,
eine nicht verstehbare Geschichte mit alptraumhaften Zügen;
denn es ist sicherlich für die meisten Eltern eine alptraumhafte Vorstellung, dass ihre Kinder vor ihnen gehen; und noch schlimmer wird es dann, wenn man als Elternteil Schuld am Tod des eigenen Kindes – in welcher Form auch immer – hat.
Und zu dieser Geschichte will uns das Alte Testament sagen - dieses Geschichte ist ein Fortschritt.
Die alttestamentliche Wissenschaft erklärt uns, dass mit dieser Geschichte dargestellt wird: Gott will keine Menschenopfer.
Aber die biblische Erzählung schildert uns auch ein Handeln Gottes, das sich nicht recht erklären lässt:
Warum stürzt Gott einen Menschen in einen solchen Gewissenskonflikt?
Warum fordert Gott von einem Menschen zuerst etwas, das doch ausdrücklich gegen Gottes Willen ist?
Gott ist unerträglich – hier in der Geschichte von Isaaks Opferung und leider auch in vielen, zu vielen Geschichten, die Menschen aller Zeiten erleben müssen.
Es gibt ein Elend der Menschen mit Gott.
Nicht irgendwelche Menschen erleben das, sondern gerade die, die sich auf Gott eingelassen haben – wie Abraham.
Es gibt ein Leiden der Menschen an Gott.
Mit Gott werden wir nicht immer und nur glücklich.
Die Geschichte von Isaaks Opferung raubt uns die offenen oder heimlichen Illusionen über einen Gott, der für ein ruhiges, gut bürgerliches, gesundes Leben im Wohlstand sorgt.
Gott hatte Abraham und Sara aus ihrer Heimat gerufen. Sie gehorchten. Er hatte ihnen einen Sohn verheißen. Lange mussten sie warten. Schließlich, im hohen Alter, als alles zu spät schien, bekommen sie das Kind geschenkt. Aufatmen. Sich zurücklehnen. Die Zeiten bis dahin waren aufregend genug. „Gott sei Dank, haben wir das alles jetzt hinter uns“, mögen Abraham und Sara gedacht haben.
Doch dann kommt es noch viel schlimmer als alles, was sie schon durchgemacht hatten.
Gott fordert von Abraham:
Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und opfere ihn.
Jetzt stehen sie verloren da. Ihr Leben zerbricht. Ihr Lebensziel und -inhalt wird ihnen weggenommen und entrissen.
Gott entpuppt sich scheinbar als launisches, schreckenverbreitendes Schicksal.
Er kann doch nicht seine eigene Verheißung, sein eigenes Geschenk zurücknehmen?
„Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Heißt es im 1. Gebot – ist nun der einzige Sohn, der Prinz, der Stammhalter so sehr zu Gott geworden, dass Gott ihn fordert und abverlangt.
Überfordert Gott Menschen?
Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast,
und geh in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer.
Und Abraham dreht sich nicht weg.
Abraham gehorcht.
Wird hier nicht die Grenze zum religiösen Wahn überschritten?
Das eigene Kind opfern. Heute würde das niemand mehr tun – und dürfte das niemand mehr tun – allein vom StGB sitzt Du damit im Knast und auch das eigene Kind ist nicht dein Besitz, sondern von der Rechtssprechung geschützt – Gott sei Dank.
Einer solchen Stimme, und wenn sie noch so göttlich klingt, darf doch niemand folgen:
Kein Christ, kein Muslim, niemand!
Es wird zu viel Leben geopfert; die einen nennen es Pflicht, andere Beruf oder Befehl, wieder andere nennen es Religion oder es ist der sogenannten Technik geschuldet, wie aktuell in Japan.
Man braucht nicht jedes Leid hinnehmen, das einem zugefügt wird –
und noch viel weniger darf man anderen ein solches Leid zufügen.
Warum rennt Abraham nicht davon?
Wir erfahren nichts von einer Suche nach einem Ausweg.
Abraham stellt sich dem Passionsweg, diesem größtmöglichen aller persönlichen Leidenwege.
Für ihn ist es von Gott in sein Leben hineingeordnet. Er hört die Stimme Gottes und gehorcht der Stimme Gottes. Er macht sich auf.
Er geht, ohne zu begreifen, – weil es sich nicht begreifen lässt.
II.
Nichts und niemand unterbricht diesen wortlosen Gang.
Drei Tage lang kein Mensch, kein Engel und kein Gott.
Abraham geht in der Einsamkeit eines Menschen, der fassungslos einem grausamen Schicksal entgegengeht und nirgends Hilfe erwarten kann. Und der ahnt, ja weiß, dass er selbst in diesem furchtbaren Schicksal auch noch ein Täter ist. Mehr noch als Täter ist er freilich Opfer. Eropfert für seinen Glauben seinen Sohn, er opfert seinem Gott sein Kind.
Schweigen.
Abraham schweigt. Isaak schweigt.
Alles geht seinen Gang.
Und zumindest Abraham meint, es wäre Gottes Weg.
Am dritten Tag bricht Isaak das Schweigen: „Mein Vater!“
Abraham antwortete: „Hier bin ich, mein Sohn“
Isaak fragt: „Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?“
Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer.“
Wieder dreht sich Abraham nicht weg. Er stellt sich der Frage seines Sohnes. „Gott wird es fügen“, sagt er.
Was hat dieser Mann für einen Glauben – o.k. es war auch in einer anderen Zeit und in einer anderen Welt mit anderen Werten.
„ Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ betet Jesus in der Nacht im Garten Gethsemane vor der Gefangennahme.
Ist es der Wille Gottes, den eigenen Sohn zu opfern ?
Andere können Abraham auf diesem Weg nicht begleiten. Er kann sein Inneres mit niemand mehr teilen. So lässt er seine Knechte zurück – und den Esel. Die Last muss er mit seinem Sohn jetzt ganz allein tragen. Niemand kann ihm jetzt noch etwas abnehmen.
Ein harmloses Gottesbild ist hier längst am Ende.
Dieser Gott ist grausam und hart.
Dieser Gott zeigt überhaupt keine liebenswerten Züge auf; für Abraham wird das ganze Leben zum schwarzen Freitag, zur absoluten Katastrophe - so wie bei Jesus der Karfreitag –
III.
Die Abraham – Isaak Geschichte eine Horrorgeschichte, ein Alptraum.
Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt – sie löst sich gleichsam in letzter Minute auf.
Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete.
Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach: "Abraham! Abraham!"
Er antwortete: "Hier bin ich."
Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen."
Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes Statt.
Gott sei Dank – noch einmal alles gut gegangen.
Zwei theologische Beobachtungen bleiben auf den ersten Blick:
- Gott will sehen, ob für Abraham, den spät zum Vater gewordenen Mann Gottes sein erstes und einziges Kind wichtiger ist als der Gehorsam gegenüber Gott. (1. Gebot)
- Hier wird vom letzten Versuch berichtet, Gott Menschen zu opfern, um ihn wohl zu stimmen. Das gab es damals häufiger und im jüdisch – christlichen Umfeld endet diese Opferpraxis mit dieser Geschichte.
IV.
Schon öfter habe ich diesen schaurigen Text gehört, gelesen und gepredigt.
Doch dieses Mal gingen mir die Augen auf, was Gott uns mit dieser Geschichte vielleicht auch sagen will.
Wie Schuppen fiel er mir vor den Augen – vielleicht geht es Ihnen gleich ähnlich:
Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne und sprach zu seinen Knechten: "Bleibt ihr hier mit dem Esel
Hallo – am dritten Tag – war das nicht was ?
Der dritte Tag – der Tag der Auferstehung
Vater opfert Sohn ? war da nicht was ?
Der himmlische Vater opfert seinen Sohn Jesus Christus.
„ Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ betet Jesus in der Nacht im Garten Gethsemane vor der Gefangennahme.
Ist es der Wille Gottes, den eigenen Sohn zu opfern ?
Wie sehr muss ein Vater leiden, wenn er seinen eigenen Sohn opfert ?
Bei Abraham haben wir mitleiden können – er hat unsere Sympathie, weil es einfach für usn gut vorstellbar und nachvollziehbar ist.
Wie sieht es aus mit dem Mitleid mit dem himmlischen Vater, der beim Kreuzestod von Jesus sowohl Täter als auch Opfer ist.
Wie sehr mögen ihm die Worte seines Sohnes am Kreuz in – menschlich gesprochen - Mark und Pein gefahren sein:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Warum lässt Du das zu ? Du liebst mich doch.
Du bist doch allmächtig und nicht ohnmächtig.
Erst nach drei unendlich langen Tagen dringt die Stimme hindurch, die das Leben rettet, die Gott als den zeigt, der nach diesen Tagen des Todes das Leben bringt.
Erst nach drei unendlich langen Tagen sieht Abraham den vorbereiteten Ausweg: den Widder, der schon im Gestrüpp hängt. Erst nach drei unendlich langen Tagen und wohl noch längeren Nächten sieht Abraham Gottes gute Vorsehung.
Gott verschont Abraham, sich selber aber verschont er nicht. Und seinen Sohn verschont er auch nicht.
Gott verlangt Über-menschliches, Un-menschliches von Abraham - und doch – kurz bevor es zur Entscheidung kommt greift Gott bei Abraham erlösend ein.
Von sich selber verlangt Gott auch Un-menschliches Über-menschliches und hier – und das ist der göttlich-menschliche Unterschied, greift er nicht erlösend ein – hier hält er die Spannung aus und es kommt zum Verlust – zumindest auf den ersten Blick.
Mein Mensch darf mehr anklagend sagen: Warum lässt Gott das zu ? – weil Gott bei sich selber das allerschlimmste zulässt. Und weil Gott, der himmlische Vater die Schmerzen und das Geschrei seinen Mensch gewordenen Sohnes aushält.
Und am dritten Tag wird klar: Gott macht die Bindung Isaaks – so die jüdische Überschrift für diese Erzählung - zur Durchgangsstation. Ziel ist das Leben. Aber einfacher ist es hier nicht zu haben.
Hier wird tödliches Schicksal zum Leben gewendet.
Hier geht es vom Tod zum Leben, nicht umgekehrt.
Unser Denken geht meistens vom Leben zum Tod. Der unerträglich erscheinende Gott dieser Geschichte führt vom Tod zum Leben.
Der unerträglich erscheinende Gott der Geschichte von Golgatha führt in den Tod und durch den Tod zum Leben – am dritten Tage.
Aber Fragen bleiben: „Gott, kannst du den Deinen nicht solche Wege ersparen? Warum trittst
Eine heftige Geschichte,
eine nahezu übermenschliche Geschichte oder soll ich besser sagen unmenschliche Geschichte,
eine nicht verstehbare Geschichte mit alptraumhaften Zügen;
Und der Friede Gottes, den uns dunkle Stunden immer wieder nehmen wollen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
Thomas Plesch in enger Zusammenarbeit mit Gedanken von Dr. Jürgen Körnlein