Pfarrer Dieter Köckhuber, Vilshofen, Johannes 3, 1-8

Trinitatis

 
 

Am Übergang vom ersten Halbjahr des Kirchenjahres, in dem die großen Feste stattfinden, zum zweiten Halbjahr, steht seit dem 11. Jahrhundert das Dreieinigkeitsfest.

Die Bibel kennt keine ausdrücklich formulierte Trinitätslehre, aber das Bekenntnis zum dreieinigen Gott beruft sich zu Recht auf die biblische Botschaft. Es bringt zum Ausdruck, dass es derselbe Gott ist, dem wir unseren Lebensraum verdanken, der uns gewollt und erhalten hat. Er ist im Sohn zu uns gekommen, hat für uns den Tod erlitten und besiegt und uns damit nicht nur zu seinen Geschöpfen, sondern zu seinen Kindern gemacht, die für immer zu ihm gehören. Er ist auch derselbe, der in uns wohnen, uns zum Glauben führen und im Glauben erhalten will. Es ist derselbe Gott, der sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart.


Gebet:

Herr, heiliger und ewiger Gott, wir bitten dich:
Lass uns das Geheimnis deiner Gottheit erkennen, damit wir dich in deiner Herrlichkeit anbeten können. Erhöre uns durch Jesus Christus, der mir dir und dem Heiligen Geist Himmel und Erde regiert. Allmächtiger Gott, du bist Anfang und Ende der Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.


Evangelium:

Johannes 3, 1 - 8
1 Einer von den Pharisäern war Nikodemus, ein Mitglied des jüdischen Rates.
2 Eines Nachts kam er zu Jesus und sagte zu ihm: »Rabbi, wir wissen, dass Gott dich gesandt und dich als Lehrer bestätigt hat. Nur mit Gottes Hilfe kann jemand solche Wunder vollbringen, wie du sie tust.« 3 Jesus antwortete: »Amen, ich versichere dir: Nur wer von oben her geboren wird, kann Gottes neue Welt zu sehen bekommen.«
4 »Wie kann ein Mensch geboren werden, der schon ein Greis ist?« fragte Nikodemus. »Er kann doch nicht noch einmal in den Mutterschoß zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!« 5 Jesus sagte: »Amen, ich versichere dir: Nur wer von Wasser und Geist* geboren wird, kann in Gottes neue Welt hineinkommen. 6 Was Menschen zur Welt bringen, ist und bleibt von menschlicher Art. Von geistlicher Art kann nur sein, was vom Geist Gottes geboren wird. 7 Wundere dich also nicht, dass ich zu dir sagte: 'Ihr müsst alle von oben her geboren werden.' 8 Der Wind weht, wo es ihm gefällt. Du hörst ihn nur rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. So geheimnisvoll ist es auch, wenn ein Mensch vom Geist geboren wird.«            n
(Gute-Nachricht-Text


Predigt:

Liebe Gemeinde!

Das Fest „Trinitatis“ ist das Fest im Kirchenjahr, mit dem viele Menschen unserer Zeit fast gar nichts mehr anfangen können.

Bei den drei großen Festen der Christenheit ist es doch so:

  • Weihnachten“ ist das Fest der Geburt Jesu Christi. Das ist noch konkret: Die Geburt eines Kindes. Ein Kind kann man in den Arm nehmen und wiegen.
  • Ostern“ ist das Fest der Auferstehung Jesu Christi. Das ist schon weniger konkret; denn eine „Auferstehung von den Toten entzieht sich unserem persönlichen  Erlebnisbereich.
  • Pfingsten“ ist das Fest, an dem die Jünger Jesu den Heiligen Geist empfingen. Dieses Hör-Wunder ist nicht mehr vorstellbar, wie es möglich sein kann, dass alle Menschen verstehen konnten, was die Jünger predigten, ganz gleich welche Sprache die Menschen  sprachen oder welcher Nationalität sie waren.
  • Dreieinigkeit“ schließlich, dass drei verschiedene Wesen in ein und derselben Person sein sollen, das ist nicht mehr logisch! – So ist schließlich das Fest „Trinitatis“ oder „Dreieinigkeit“ oder auch „Dreifaltigkeit“ nahezu in Vergessenheit geraten!

Vielleicht tragen drei Vergleiche zur „Trinität“ ein wenig zum Verständnis bei:

1. Vergleich: Wasser




2. Vergleich: Dreieck (gleichseitiges Dreieck)



Ein Dreieck ist eine Figur, aber es muss drei gerade Linien als Seiten haben; sonst wäre es kein Dreieck. Diesen Vergleich kennen wir auch aus der kirchlichen Kunst: Das „Auge Gottes“, meist in barocken Kirchen, wird in einem Dreieck dargestellt.


3. Vergleich: Kugel; vgl. Globus mit Längengrad und Breitengraden  (Äquator)




Eine Kugel ist immer nur teilweise sichtbar, nie von allen Seiten gleichzeitig,
auch von einem Satelliten aus nicht.

 

So begegnet uns auch Gott, der Vater als  Schöpfer und Erhalter des Kosmos.
So begegnet uns Gott, der Sohn als Bruder und Erlöser der Menschen. Und
so begegnet uns Gott, der Heilige Geist als die ewige Wirkungskraft, die alles belebt, was lebt.
Der dreieinige Gott ist sowohl Gott Vater. Da sprechen wir vom Schöpfer. Der gleiche Gott ist aber auch Jesus Christus. Dann sprechen wir vom Sohn. Jesus Christus ist „wahrhaftiger Gott, vom Vater in Ewigkeit geboren und auch wahrhaftiger Mensch, von der Jungfrau Maria geboren“. Der gleiche Gott ist Person geworden durch Geburt und durch Tod mit dem Namen Jesus Christus. Und der gleiche Gott wirkt als Heiliger Geist heute. -

Ich sehe noch heute meinen Professor für praktische Theologie, Professor Doktor Eduard Steinwand an der Universität Erlangen im Hörsaal stehen, wie er uns sagte: „Merken Sie sich das gut: >Heiliger Geist< das heißt >Jesus Christus heute<. Wenn Sie in der Bibel lesen und treffen auf den Begriff >Heiliger Geist<, so setzen Sie anstelle dieser beiden Worte den Begriff >Jesus Christus heute< ein, so werden Sie merken, wie diese Bibelstelle plötzlich verständlich geworden ist! - „Heiliger Geist = Jesus Christus heute“!

Generationen von Theologen haben versucht, diesem Geheimnis nachzuspüren und es zu ergründen. Es lässt sich nicht logisch erfassen. Es lässt sich nur anbetend „nach“ - denken. So ist die Anbetung die angemessene Weise, vom dreieinigen Gott zu reden.

„Anbeten“ – wie macht man das?
Das zeigt uns unser heutiges Evangelium (Johannes 3, 1 – 8):
„Beten“ heißt ja „mit Jesus Christus reden“. Und Nikodemus redet mit Jesus:
 „Nikodemus kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“ (Joh. 3,2)
Nikodemus war ein alter Mann. Seiner Frömmigkeit und Gelehrsamkeit wegen gehörte er zu den Führern der Gemeinde. Er war auch ein wohlhabender Mann; denn wir erfahren von ihm: „Es kam aber auch Nikodemus, der vormals in der Nacht zu Jesus gekommen war, und brachte Myrrhe gemischt mit Aloe, etwa hundert Pfund.“ [Joh 19,39] Er war ein Pharisäer; ein „Oberster der Juden“ wird er genannt, er war also Mitglied des Hohen Rates; als Rabbi war er Angehöriger des theologischen Lehrstandes.

Nikodemus wählte die Nacht, als er zu Jesus ging; niemand sollte vorerst wissen, dass er zu Jesus ging. Es zog ihn zu Jesus, und doch sträubte sich noch vieles gegen ihn.
Er legt ein Bekenntnis zu Jesus ab, warum er kommt: „Wir wissen, dass Gott dich gesandt und dich als Lehrer bestätigt hat. Nur mit Gottes Hilfe kann jemand solche Wunder vollbringen, wie du sie tust.“ Jesus antwortet Nikodemus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ [3]
„Wie kann ein Mensch geboren werden, der schon ein Greis ist?“ fragte Nikodemus. „Er kann doch nicht noch einmal in den Mutterschoß zurückkehren und ein zweites Mal auf die Welt kommen!“  [4]
Bei den Worten [3]von neuem geboren werde“ steht im griechischen Urtext des Neuen Testaments: eva.n mh, tij gennhqh/| a;nwqen.  Wörtlich übersetzt heißt   a;nw qen : „von oben“ – „her“. Also: „nur wer   von oben   her   geboren wird  kann in Gottes neue Welt hineinkommen.“   Das Missverständnis des Nikodemus besteht darin, dass seine Gedanken bei dem Wort „Geburt“ bei dem irdisch-natürlichen Geborenwerden stehen bleiben, während Jesus von einem geistlichen Vorgang redet.
Jesus sagte: „Amen, ich versichere dir: Nur wer von Wasser und Geist geboren wird, kann in Gottes neue Welt hineinkommen.“  [5]  Das Wasser weist auf die christliche Taufe hin, die nach biblischem Verständnis mit dem Empfang des Heiligen Geistes verbunden ist. Durch unsere Taufe sind wir neue Menschen geworden, nämlich Menschen, die zu Gott gehören, zu seiner Gemeinde.

Jesus zieht noch einen Vergleich – mit dem Wind –
zum besseren Verständnis dessen, was er meint:
[7] »Wundere dich also nicht, dass ich zu dir sagte: 'Ihr müsst alle von oben her geboren werden.' [8] Der Wind weht, wo es ihm gefällt. Du hörst ihn nur rauschen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. -  So geheimnisvoll ist es auch, wenn ein Mensch vom Geist geboren wird.«      n

Die Tiefe dieser Worte Jesu besteht darin, dass sie nicht nur von einzelnen Gaben reden, die der Geist hinzufügte zu dem, was der Mensch aus sich selbst hat, sondern den Menschen in seiner Einheit als das Werk des Geistes beschreiben. Jesus bleibt nicht dabei stehen, dass wir von Gott einige Gedanken und Kräfte erhalten, sondern macht es zu seinem Ziel, dass wir in der Einheit und Ganzheit unserer Person das Werk Gottes werden. Dazu ist Jesus Christus gesandt, damit durch ihn die neuen Menschen werden, durch die die Stimme des Geistes vernehmbar wird. Anders ausgedrückt: Jesus erwartet von uns, daß wir nicht nur nach gewohnter Weise eine Situation betrachten (nach dem Motto: „das ist doch schon immer so gewesen“), sondern auch nach anderen Lösungsmöglichkeiten Ausschau halten. Etwa so:

Eine Manager-Gruppe hatte bei einem Kreativ-Seminar den Auftrag, die Höhe einer Fahnenstange zu messen. Leiter und Bandmaß lagen bereit. Aber die Leiter war zu kurz, es wurde ein Tisch geholt und die Leiter daraufgestellt. Als das nicht ausreichte, stellten sie einen Stuhl auf den Tisch. Der Aufbau wurde instabil und brach zusammen. Ein stimmgewaltiges Durcheinander brach aus.
Ein Ingenieur sah von ferne zu. Er nutzte das Durcheinander, zog wortlos die Fahnenstange aus dem Boden, legte sie hin, nahm das Maßband und schrieb das Ergebnis auf einen Zettel. Zusammen mit dem Maßband   drückte er ihn   einem der Manager in die Hand und ging weiter.  - 
Gott hat manchmal überraschend andere Lösungen, zum Beispiel, wie wir trotz geringer werdender Finanzmittel seinen Auftrag ausführen und uns auf notwendige Veränderungen einlassen können.
In China sagt man:   "Wenn der Wind der Veränderung weht,
bauen die einen Mauern,    andere stellen Windmühlen auf."

Das Geheimnis der Trinität lässt sich nicht logisch erfassen. So haben wir vorhin festgestellt. Aber es lässt sich anbetend „nach“ - denken. So ist die Anbetung die angemessene Weise, vom dreieinigen Gott zu reden:

„Gelobet sei der Herr, mein Gott, der ewig lebet,
den alles lobet, was in allen Lüften schwebet;
gelobet sei der Herr, des Name heilig heißt,
Gott Vater, Gott der Sohn und Gott, der Heil’ge Geist,

dem wir das Heilig jetzt mit Freuden lassen klingen
und mit der Engel Schar das Heilig, Heilig singen,
den herzlich lobt und preist die ganze Christenheit:
Gelobet sei mein Gott in alle Ewigkeit!“     Amen.

EG 139 - Johann Olearius 1655
Dieter Köckhuber
Pfr. i. R. in Vilshofen an der Donau

Gebet

Dreieiniger Gott,
wir erheben unsere Seele zu dir,
All-Umfassender, tiefstes aller Geheimnisse,
der du bist alles in allem.

Unendlich fern bist du uns so oft
und doch wiederum so nah
wie eine Stimme dicht an unserem Ohr.
Du bist gegenwärtig in der Tiefe unseres Seins.

Du bist schöpferische Ur-Kraft
und alles belebender Geist.
Du bist unser Ursprung und unser Ziel zugleich.

Wir öffnen uns deinem Geheimnis
im Vertrauen des Glaubens,
und wir spüren, wie du uns erhebst,
indem wir uns vor dir beugen,
und wie wir von dir aufgenommen werden
wie in geöffneten Armen,
indem wir uns dir anheimgeben
mit allem, was in uns ist,
was uns freut und beschwert.

Indem wir uns loslassen
im Geheimnis deiner alles-erfüllenden Gegenwart
finden wir uns wieder   –    
gereinigt und erleuchtet,
schöpferisch erneuert in deiner Liebe,
 
du dreieiniger Gott,
Vater, Sohn und heiliger Geist.       Amen.