Vikar Peter Michael Neugebauer am 03. Mai in Tittling

 Joh 20,24-29

 
 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist

Der Predigttext ist zugleich das Evangelium des heutigen Sonntags. Dazu stehen wir auf:
Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei den Jüngern , als Jesus kam. Da sagten die anderen Jünger zu ihm: „Wir haben den Herrn gesehen.“ Er aber sprach zu ihnen: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich´s nicht glauben.“
Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt, und Thomas war bei ihnene. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: „Friede sei mit euch!“ Danch spricht er zu Thomas: „Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sprach zu ihm: „Mein Herr und mein Gott!“ Spricht Jesus zu ihm: „Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“

Liebe Gemeinde,

Ostern ist vorbei. Die zwei Wochen Osterferien gehen heute zu Ende. Morgen fängt die Schule wieder an. Die freien Tage, der Osterurlaub – daheim oder auswärts – haben nun ihren Platz in der Erinnerung. Die Gäste, der Besuch sind gegangen; die Familienfeiern zu Ende. Das Festessen, die Schokoladeneier sind gegessen.
Ostern ist vorbei. Der Alltag fängt wieder an. Der Alltag ist der Normalfall des Lebens. Aber dieser Normalfall ist gleichzeitig der Ernstfall des Lebens: Man muß den Ansprüchen gewachsen sein; muß Entscheidungen treffen; muß dies tun und das andere lassen; muß mit geliebten oder ungeliebten Menschen kommunizieren; muß einkaufen und die Familie versorgen muß, muß, muß... der Alltag ist meist geprägt von Zwängen oder Unausweichlichkeiten. Nicht, daß das immer schlimm wäre – vieles macht man hoffentlich gerne und mit innerem Antrieb. Aber man muß sich bewähren. Die eigenen Ansichten und Vorstellungen werden vom Alltag geprüft.
Dies gilt auch vom Glauben. Der Glaube wird vom Alltag geprüft. Ostern ist vorbei. Doch der Glaube geht weiter. Ostern ist vorbei. Doch Christus ist erstanden. Das Licht der Osterkerze soll in meinen Alltag hineinscheinen! Die Hoffnung auf den Auferstandenen soll im Alltag Gestalt gewinnen! Der Glaube soll weitergehen!

Ich denke, der heutige Predigttext – die Erzählung vom ungläubigen Thomas – kann dazu eine Hilfe sein. Der ungläubige Thomas führt uns vor, in welcher Spannung Glaube lebt. In welcher Spannung die Botschaft der Auferstehung wirkt. Da ist die Spannung:

  • 1) von nicht erkennen können und sehen: Thomas sagt: „wenn ich Jesus nicht sehe, dann kann ich´s nicht glauben.“ Und acht Tage später sieht er den Auferstandenen.
  • 2) von unbegreifbar bleiben und fühlen, anfassen können: Thomas sagt: „wenn ich meine Hand nicht in Jesu Seite lege, dann kann ich`s nicht glauben.“ Und acht Tage später berührt er den Auferstandenen.
  • 3) von Zweifel und Gewißheit und die Spannung von Mißtrauen und Vertrauen: Thomas fordert in seinem Zweifel einen Beweis für die Auferstehung und als er ihn bekam kann er nicht anders als sein kurzes Glaubensbekennntnis zu sprechen: „Mein Herr und mein Gott“
  • 4) von Resignation und Hoffnung: Die Jünger versammeln sich in ihrer Resignation in abgesperrten Kämmerlein und doch sagen sie ihre unbereifliche Auferstehungserfahrung weiter. Zunächst Thomas und dann sozusagen dem Rest der Welt.

In dieser Spannung lebten die Jünger mit Thomas. In dieser Spannung leben auch wir:

  • Zunächst die Spannung von nicht erkennen können und sehen: mit dem Glauben ist es wohl ein wenig so, wie mit der Liebe zwischen zwei Menschen. Die Liebe ansich ist nicht zu sehen. Doch wenn jemand spricht: „Ich liebe dich.“ – dann ist damit eine Wirklichkeit geschaffen, die sichtbar wird. Sichtbar im Alltag: Sei es der berühmte Blumenstrauß oder eine Karte als Überraschung oder die vielen anderen Zeichen und Handlungen an denen der andere sehen kann: Die Liebe gibt´s ja wirklich. Auch der Glaube ansich ist unsichtbar. Doch wenn jemand spricht: „Ich glaube an Christus den Auferstandenen“ – dann ist damit eine Wirklichkeit geschaffen die sichtbar wird. Sichtbar im Alltag: zum Beispiel in der Art und Weise, wie ich mich selbst und den Nächsten, meinen Nachbarn, Arbeitskollegen oder Mitschüler sehe und mit ihm umgehe.
  • Da ist die Spannung von unbegreifbar bleiben und fühlen, anfassen können: Da ist der Glaube vielleicht ein bischen so, wie ein kleines Kind: Das Vertrauen eines kleinen Kindes in seine Eltern ist unbegreifbar. Aber dieses Vertrauen wird fühlbar, wenn ein Kind sich in die Arme seiner Eltern wirft und die Eltern es auffangen. Der Glaube ist unbegreifbar, aber in Zeichen sei es das Abendmahl, die Taufe oder das Gebet wird er fühlbar, schmeckbar, wahrnehmbar, lebendig.
  • Da ist die Spannung von Zweifel und Gewißheit und die Spannung von Mißtrauen und Vertrauen: Es gibt an den Religionen im Allgemeinen und auch am Christentum im Speziellen vieles was in der Geschichte oder Heute dazu angetan ist dem Religiösen zu mißtrauen. Gerade läuft in den Kinos der Film: Religiolous. Übersetzbar vielleicht mit Relilächerlich. Ein Film, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Welt aufzuklären darüber, daß alles an den Religionen doch nur Lug und Trug ist, der die Menschen zu bösen und irrationalen Taten verführt. Und dagegen dann doch das Vertrauen darauf, daß die Auferstehung und der Glaube keine ausgeklügelte Fabel machtgieriger Menschen ist, sondern in Kreuz und Auferstehung sich die Hoffnung der Welt verbirgt, die Menschen verändern kann zum Guten, zur Liebe gegenüber Gott, sich selbst und dem Nächsten.
  • Und dann ist da noch die Spannung von Resignation und Hoffung: In Anbetracht der Situation mancher Gemeinde möchte man sich vielleicht wie die Jünger im stillen Kämmerlein einschließen. Doch der Glaube drängt, nicht am Ist-Zustand zu verzweifeln, sondern anderen vom Glauben zu erzählen. Von dem Glauben an den Auferstandenen. Vom Glauben der mit Spannungen behaftete ist, aber sich von den Spannungen nicht zerreißen läßt, sondern immer wieder neu anfängt zu glauben

Und Jesus spricht uns zu, diese Spannung auch im Alltag auszuhalten „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen