„Ich höre so schlecht – und reden kann ich auch nicht“
Gott will unsere Ohren öffnen
Markus 7, 31- 37

 
 

Liebe Gemeinde !

1. Höre ich schlecht ?

Gehören Sie zu den 10 – 15 Mio. Menschen in der Bundesrepublik, die schlecht hören ? (Quelle: Deutsches Grüne Kreuz)
Halleluja – das ist ja jeder 6.-8.te.

Oder gehören Sie zu den 1,7 – 2,5 Mio, die ein Hörgerät tragen oder  zu hause lassen, weil es irgendwie peinlich ist ??

Oder gehören Sie zu den 100 % aller Kinder oder Ehemänner und Ehefrauen, die schlecht hören, obwohl sie eigentlich schon gut hören würden ??

Und Hören, richtiges zu hören, ist eine Kunst.
Viele, die heute schlechter hören, haben früher genug um die Ohren gehabt und sind mit dem Alter ein bisschen ertaubt.

Denn die Zahl der jungen Menschen, die taub sind, ist vergleichsweise gering:
Nur eines von 400 geborenen Kindern weist eine Hörschädigung auf – und im Jahr 2000 gab es ca 10.000 bis 20.000 Schüler, die taub oder sehr schwerhörig waren.

Das Ohr – ja und zupfen sie ruhig einmal an Ihrem Ohr – halt sie haben ja zwei – also das Gehör ist unter allen Sinnesorganen des Menschen  das Sinnesorgan, das sich als erstes entwickelt, erstaunlich früh, schon im Mutterleib.
So ist damit zu rechnen, dass Embryonen schon ganz frühzeitig hören. Sicher werden sie im Mutterleib noch völlig anders hören als später – aber : sie hören.

2.Der biblische Text Markus 7, 31- 37

Und die Leute brachten zu Jesus einen, der taub und stumm war, und baten ihn, dass er die Hand auf ihn legte.
Und er nahm ihn aus der Menge beiseite und legte ihm die Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel und sah auf zum Himmel und seufzte und sprach zu ihm: Hefata!!, das heisst: Tu dich auf!

Und sogleich taten sich seine Ohren auf, und die Fessel  seiner Zunge löste sich, und er redete richtig.

(..) Und die Leute wunderten sich (..) und sprachen:
Er hat alles gut gemacht; die Tauben macht er hörend und die Sprachlosen redend.

3. Das Dilemma der Taubstummen

Was wäre wohl für Sie unangenehmer ?
Nicht hören zu können oder nicht reden zu können ?

Natürlich ist das eine hypothetische Frage, denn das Nicht hören können hat zur Folge, dass man nicht weiß wie das reden geht.

Wenn ich nicht hören kann, werde ich auch nicht (gut und gern) reden und nicht mitreden können.

Aristoteles, ein hoch gebildeter Mann und Schüler des Platon - aus dem 4. vorchristlichem Jahrhundert hatte die Überzeugung, dass nicht sprechende Menschen auch des Denkens nicht fähig sein würden und steckte kurzerhand Gehörlose in eine Kategorie mit den Stumpfsinnigen.

Von diesen Interpretationen sind wir heutzutage - Gott sei dank -deutlich abgerückt  - und doch:

Auch heute wird der, der nicht mehr gut hören kann, ausgegrenzt.

Eine spät ertaubte Diakonisse klagt und spricht vielen schwerhörigen aus der Seele:
Taubheit ist eine Art Gefangenschaft, eine Absonderung von der Außenwelt. Das gesprochene Wort kommt nur bis zur verschlossenen Tür, dringt nur bis zur Mauer des Kerkers.

Und eine früh ertaubte Studentin berichtet:
„Ich fühle mich in Gesellschaft oft fehl am Platz. .. Ich komme mir vor wie eine Lerche mit beschnittenen Flügeln...“

Nichts oder fast nichts hören zu können, nicht reden zu können, das ist schon eine schwere Ausgrenzung.

Wie geht Jesus damit um ?  WWJD

4. Der Heiler tut Wunder

Menschen bringen hoffnungsvoll und erwartungsfroh den taubstummen Patienten zu Jesus, von dem wunderbare Geschichten erzählt werden.
Und in der Tat, auch heute noch: Die Hoffnung auf Heilung ist die Voraussetzung für Heilung.

In der Geschichte hier  bitten die Helfer nur darum, dass Jesus dem Taubstummen die Hand auflegen möge. Die menschlichste aller heilenden Gesten, die Handauflegung.
Und manchmal geht davon tatsächlich heilende Wirkung aus.
Auch im Zeitalter der Apparatemedizin tut das einfache Auflegen der Hand, die spürbare menschliche Wärme und Nähe, einfach gut !

Handauflegung , das heißt auch: Zuneigung, Zuwendung, geschenkte Zeit, genutzte Stille, herrliche Ruhe, spürbare Verbundenheit.

Oder anders ausgedrückt: Hier geschieht wohltuende, liebevolle Kraftübertragung. Und natürlich kann ich mir vorstellen, dass Menschen mit hohen geistigen und geistlichen Energien auf diese Weise heilsame Kräfte übertragen und heilen können.
Warum sollte Jesus nicht heilen können, wo er doch in so naher, in so inniger Verbindung zu Gott steht ?

Manchmal scheint mir da, im Berühren und sich berühren lassen, im liebevollen Energiefluss von Menschen ein zentrales Geheimnis von Leben zu liegen.

Und Jesus nahm ihn aus der Menge beiseite

Eine Kunst – auch in der Erziehung, im zwischenmenschlichen Gespräch, in hierarchischen Situationen: beiseite nehmen – Spannung und Öffentlichkeit herausnehmen, sich dem anderen ganz und gar und ungestört zuwenden.

Heilung verträgt keinen Lärm, keine show, kein Blitzlichtgewitter – Heilung geschieht oft im Verborgenen, ohne Publikum , in der Stille.

Und dann heilt er – irgendwie mit Finger in den Ohren ( wieder eine Berührung),. mit Speichel, dem Saft des Lebens, der uns vor dem Austrocknen bewahrt und einem aramäischen Befehlswort Hefata: Tu dich auf !!

„Und sogleich taten sich seine Ohren auf, und die Fessel seiner Zunge löste sich, und er redete richtig.“

Der Taubstumme lässt sich von Jesus be-hand-eln und es tut ihm – auf wunderbare Weise -  gut. Der Taubstumme vertraut sich Jesus an und Jesus nimmt ihn an der Hand und bringt ihn nicht nur in das Reich des Hörens und Sprechens, - sondern viel wichtiger: er bringt ihn in das Reich des Glaubens.

Und aus dem Tauben wird auf wunderbare Weise durch die Begegnung mit Jesus einer, der wunderbar hört, der in der Tiefe hört, der das Wort Gottes erhört hat.
Hören, wie ein Jünger hört
Hören, wie der Schüler auf die Stimme des Meisters hört.
Hören, auf die Stimme Gottes hören, der stimme Gottes gehorchen werden eins.

Indem Jesu dem Taubstummen das Hören lehrt, befreit er ihn auch aus seiner Ausgegrenztheit, aus seiner Hoffnungslosigkeit, aus seiner Sprachlosigkeit.
Nun kann er weitererzählen, dass der Sohn Gottes Wunder tut – gerade an denen, die oft belächelt und übersehen werden.
Nun kann er erzählen, dass es das Wichtigste im Leben ist, das Wort Gottes zu hören, mit Gott, mit Jesus Hand in Hand zu gehen.

Und ganz am Ende, an unserem Lebensende, so sagt die Wissenschaft, wird das Hören unsere letzte Fähigkeit sein, so wie sie im Bauch der Mutter die erste war.
Wir werden möglicherweise bis ganz zuletzt hören, hören bis nach dem letzten Herzschlag und dem letzten Ausatmen.
Und ich träume davon, dass wir dann die Vorboten des Reiches Gottes hören – und diese Vorboten werden so klar und anders sein, dass es auch die Schwerhörigen gut hören können.

In Gottes Namen – Amen

Thomas Plesch am 27.08.09

EG 272      Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen