Predigt über Lukas 14, 15 - 24 - Kreuzkirche Tittling, 21. Juni 2009(Prädikantin Angela Güntner)
 
 
Liebe Gemeinde,

man muss Prioritäten setzen im Leben. Stellen wir uns zu diesem Schlagwort doch einmal folgende Situation vor: Eine junge Frau hatte ihre neue verantwortungsvolle Arbeit wirklich gern übernommen, auch wenn viel Einsatz dafür nötig war. Aber das dauernde Unterwegssein und die anstrengenden Verhandlungen schlauchten sie doch sehr. Sie war froh, wenn sie es sich am Wochenende mit ihrem Freund zu Hause gemütlich machen konnte - dabei war sie früher auch während der Woche regelmäßig mit ihrer Clique ausgegangen. Ihre Freundinnen hatten sich schon daran gewöhnt, dass sie meistens absagte, wenn sie etwas gemeinsam unternehmen wollten. So fragten sie immer seltener.

Aber nun war Anna auf dem Anrufbeantworter, ihre beste Freundin. Sie würde doch nicht die Einladung für Samstag abend vergessen? Nein, vergessen hatte sie sie nicht. Aber sie war nach der Arbeitswoche einfach nur müde, und außerdem hatte sich ihr Freund schon die ganze Woche auf den Samstag zu zweit gefreut. Anna würde sicher auch dieses Mal wieder Verständnis haben. Entschlossen griff sie zum Telefonhörer, um sich persönlich zu entschuldigen. “Du, Anna, tut mir echt leid, aber ...” “Schade”, sagte Anna - und legte auf.Solche Geschichten kommen uns aus unserem eigenen Leben sehr bekannt vor. Wir nehmen Einladungen - auch von guten Freunden -, nicht wahr, weil uns so vieles andere wichtiger ist, weil wir so viele andere Verpflichtungen haben - bis uns diese Freunde irgendwann einmal abhanden kommen, bis der Kontakt endgültig abreißt.
Schon vor zweitausend Jahren war das offenbar nicht anders, sonst hätte Jesus nicht diese Geschichte erzählt von dem Menschen, der zu einer großen Feier einlädt und eine Absage nach der anderen bekommt. Und wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir die vorgebrachten Entschuldigungen eigentlich ganz gut verstehen können.

Die eingeladenen Männer haben unserer Meinung nach gute Gründe, um der Einladung fernzubleiben. Der eine hat ein Stück Land erworben, das ihm seinen Lebensunterhalt sichert. Der andere hat fünf Gespanne Ochsen gekauft - wertvolle Arbeitstiere. Und der dritte schließlich hat gerade geheiratet und verständlicherweise nur seine Flitterwochen im Kopf. Geradezu modern klingen diese Absagegründe. Wir könnten Acker und Ochsen ersetzen und ganz zeitgemäß sagen: mein Haus, mein Auto, meine Familie. Alles das ist wichtiger als diese Einladung. Dabei bleibt allerdings der Gastgeber auf der Strecke. Der hat liebevoll ein großes Fest für seine Freunde vorbereitet, für die Menschen, die ihm am nächsten stehen, und nun kommt niemand von ihnen. Auch wenn sie so plausibel klingende Gründe vorbringen, tun ihm die Absagen doch weh.Aber dieser Mensch gibt nicht auf. Alle seine Vorbereitungen sollen nicht umsonst gewesen sein. So lädt er nun die ein, die nicht zu seinem Freundeskreis gehören, die am Rand der Gesellschaft stehen, die benachteiligt sind und ganz fremd, die zufällig des Weges kommen, die seinen Knechten buchstäblich in die Arme laufen. “Schade”, scheint auch er zu seinen Freunden zu sagen und den Kontakt abzubrechen.

Freilich geht es in diesem Gleichnis nicht nur um das, was jeden Tag zwischen Freunden passiert. Jesus will seine Zuhörer damit wachsam und aufmerksam machen für die Beziehung zwischen Gott und den Menschen, für die große Einladung, die Gott an seine Geschöpfe ausspricht - und die sie so selten wirklich annehmen.Dabei ist ganz wichtig, zu bedenken, in welcher Umgebung Jesus diese Geschichte erzählt. Er ist bei einem Pharisäer zu Gast, bei einem der ganz Frommen und ganz Gottesfürchtigen im damaligen Judentum, bei einem, der gerade durch seine Frömmigkeit auch gefährdet ist, allzu stolz und allzu sicher zu werden. Vor dieser Haltung will Jesus warnen. Niemand kann sicher sein, Gott und seine Nähe quasi gepachtet zu haben, auch nicht der Frömmste aus dem auserwählten Volk. Gottes Einladung gilt nicht nur einer gläubigen Elitegruppe, sondern allen Menschen, auch den Armen und Schwachen, auch denen, die zweifeln oder vom Glauben noch nie etwas gehört haben. Trotzdem wertet das Gleichnis die Zuerst-Eingeladenen nicht ab, Auch dafür will Jesus die Pharisäer wachsam machen: denkt daran, wer ihr seid, denkt an eure ganz besondere Geschichte mit Gott - aber glaubt nicht, dass das Reich Gottes nur zu euch kommt oder dass ihr gar nichts dafür tun müsst.

Wir, liebe Gemeinde, sind als Christen nun diejenigen, die nachher eingeladen wurden, die Fremden, die Dazugekommenen. Und auch wir müssen uns leider immer wieder in die Reihe derer stellen, die Gottes Einladung nicht annehmen. Auch wir denken doch nur allzu oft: wir sind ja getaufte Christen, also ist alles gut - auch wenn wir uns keine Zeit mehr nehmen, unsere Beziehung zu Gott tief und lebendig zu erhalten. Auch wenn wir kein wirkliches Vertrauen mehr auf ihn setzen und wenig Interesse daran haben, ihn kennenlernen zu wollen - in seinem Wort, das er uns schenkt oder in seinen Sakramenten, im Sonntagsgottesdienst, in einem Bibelgespräch oder einfach nur so für uns selbst.

Im alten Israel war die Abendmahlzeit die Hauptmahlzeit des Tages, etwas Wichtiges, Besonderes und Festliches. Dieses Wichtige, Besondere und Festliche möchte Gott uns schenken. Er möchte uns Kraft geben und Hoffnung, er möchte, dass wir als seine Geschöpfe unsere einzigartigen Fähigkeiten so gut wie nur möglich entwickeln und unseren Mitmenschen in Offenheit und Wohlwollen begegnen. Und gerade davor verschließen wir uns, weil wir jetzt gerade keine Zeit haben, weil wir müde sind, weil, weil, weil ... “Schade”, hören wir da. Oder, wie Jesus es ausdrückte: “Ich sage euch, keiner der Männer, die eingeladen waren, werden mein Abendmahl schmecken.”Das ist ein hartes, aber ehrliches Wort, liebe Gemeinde. Alle, die glauben, auf Gottes Einladung verzichten zu können, haben auch keinen Anteil an seinem Reich. Sie bleiben immer Suchende zwischen ihren vielen Terminen und Verpflichtungen. Sie erleben oft schmerzhaft, wie wenig all das weiterhilft, was sie für wichtig gehalten haben, zum Beispiel, wenn Schicksalsschläge sie überfallen, wenn sie krank werden oder arbeitslos oder vom Partner verlassen.

“ Schade” sagte die gute Freundin in unserem Eingangsbeispiel und legte auf. So lese ich das biblische Gleichnis nicht. Das harte Wort ist hier nicht das letzte Wort. Wir haben das erfahren aus allem Reden und Handeln Jesu heraus. Er hat uns bis zu seinem Tod für uns die Liebe und Zuwendung Gottes, unseres Vaters, verkündet. Deshalb glaube ich fest daran, dass wir zu der Einladung, die Gott ausspricht, immer wieder zurückkehren können. Es liegt an uns, sie anzunehmen. Gottes Festtafel ist offen für alle, das haben wir ausdrücklich gehört. Und wenn wir uns nur darauf einlassen, dann werden wir bald merken, wie wir beschenkt und bereichert werden.

Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung geben, liebe Gemeinde. Für mich ist die Gottesdienstvorbereitung eine solche Einladung Gottes. Sie fordert mich auf, mir Zeit zu nehmen und die alltäglichen Pflichten hinter mir zu lassen. Sie fordert mich auch heraus. Da möchte ich gern manchmal sagen: “Jetzt habe ich keine Zeit. Ich muss unbedingt dahin oder dorthin oder dieses oder jenes machen ...” Wenn ich aber schließlich keine Entschuldigungen mehr vorschütze und mich wirklich mit Gott und seiner frohen Botschaft befasse, dann erlebe ich immer wieder das Geschenk seiner Nähe, und das ist wirklich etwas ganz Freudiges und ganz Besonderes.

Man muss Prioritäten setzen - das sagen uns nicht nur die modernen Schlagwörter, das sagt uns auch das Gleichnis vom großen Abendmahl. Vielleicht gelingt es uns ja, liebe Gemeinde, immer öfter gegen den Strom zu schwimmen und nicht im gewohnten Trott zu versinken. Ich hoffe, dass uns diese Geschichte aus trügerischer Sicherheit und Bequemlichkeit aufrüttelt. Ich hoffe, dass sie uns wieder dazu bringt, Religion und Glauben  nicht nur als schöne Dekoration für Familienfeste, aber als Nebensache im Alltag zu betrachten. Lassen wir dies Schöne, Freudige und Feierliche doch zu seinem Recht kommen: auf Gott hören und ihm vertrauen, uns aufs neue vergewissern wo wir herkommen und wo wir hingehen, damit unser Leben heil wird.

Amen.