Leitbild: am Tisch des Herrn
gehalten von Christian Ueberham
Johannes 6, 1-15
 

Jesus fuhr weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias heißt. Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern.
Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden. Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: "Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben?"
Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte.
Philippus antwortete ihm: "Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein wenig bekomme."
Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: "Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele?"
Jesus aber sprach: "Lasst die Leute sich lagern." 
Es war aber viel Gras an dem Ort. 
Da lagerten sich etwa fünftausend Männer.
Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten.
Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: "Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt."
Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.
Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: "Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll."
Als Jesus nu  merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein.
 
Herr, segne unser Reden und Hören durch deinen Heiligen Geist.
Amen.
 
Jesus dankte und gab...
I.
Liebe Gemeinde!
„Wir müssen den Gürtel enger schnallen“, hören wir oft Politiker und auch  die Kirchenverwaltung und Leitung sagen. Das Geld wird knapp. Wir müssen sparen, wo wir nur können. Sparrunde um Sparrunde wird eingeläutet. Auch beim Besuch des Bischofs letzten Sonntag war das Geld leider ein wichtiges Thema. Die Wirtschaft lahmt, die Einnahmen von Staat und Kirche werden weniger. Wie das Kaninchen auf die Schlange schauen wir auf Wachstum und Inflation, auf Fieberkurven der Wirtschaft. Doch wenn gespart wird, dann leider auch so, dass Menschen Lebenschancen genommen werden und die Zukunft verbaut wird. Und niemand sagt ernsthaft: Das geht doch nicht. Wir müssen auch an die Zukunft unserer Kinder denken. Proteste hört man nur von den direkt Betroffenen. 
In einem der immer noch reichsten Länder der Erde überrascht das. Aber weil wir es tagein, tagaus hören, übernehmen wir erst mal die Parole vom Gürtel-enger-Schnallen. Man kann den Euro eben nur einmal ausgeben. Also muss gespart werden. Auch in unserer evang. Gemeinde.

In unserer Geschichte des Evangeliums herrschte in Galiläa  Knappheit:
 5000 hungrige Männer lagern da auf der Wiese, Frauen und Kinder gar nicht mitgerechnet. Aber nur fünf Brote und zwei Fische sind da, ein Kind hat sie mitgebracht. Das ist aussichtslos. 
Selbst wenn die Jünger das Brot sparsam austeilten, ist das noch nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. 
Aber Jesus fängt gar nicht erst an, durchzurechnen, den Mangel zu bewerten. Er schlägt einen ganz anderen Weg ein: Er nimmt die fünf Brote, betet darüber, teilt großzügig aus, und alle werden satt.
Sicher: Es ist ein Wunder, von dem die Bibel berichtet — und so zu  verstehen oder gar nach-machen ist nicht so einfach oder unmöglich.
Und trotzdem können wir uns etwas abschauen von dem, wie Jesus mit den Broten umgeht: 
Er fängt einfach an, großzügig zu verteilen. 
Ich stelle mir die Reaktionen der Jünger vor: 
„Das kannst du doch nicht machen, Jesus. Behalte sicherheitshalber genug für uns zurück“, murren die Hungrigen. 
Die Realisten erinnern: „Mit den fünf Broten kannst du doch sowieso nichts ausrichten. Da brauchst du gar nicht erst anzufangen.“ 
Und die Pessimisten wettern: „Du weckst damit nur falsche Hoffnungen.

Wenn dir nach den ersten 50 Personen das Brot ausgeht, meckern die, die nichts mehr bekommen haben. Das gibt nur Neid und Streit.“ 
So stehen die Jünger mit ihren vernünftigen Argumenten auf der Bremse: „Das geht nicht. Das hat noch nie geklappt. Das braucht man gar nicht erst probieren.“ 
War Jesus fest überzeugt, dass es doch klappt? 
Oder wollte er es wenigstens versuchen? 
Auf jeden Fall hat er sich gegen seine zwölf Bedenkenträger durchgesetzt. Und die Geschichte gibt ihm Recht.

Das hoffnungslos Wenige, das da war, hat er eingesetzt und verteilt. Und in dem Moment ist das Wenige so sehr gewachsen, dass es allen Hunger stillt. Ein Wunder - und zugleich ein Beispiel, das zeigt: 
Die Logik der Sparsamkeit gilt nicht in Gottes Welt.

Auf einer meiner Manager  - Tagungen wurde „ Fallenlassen „ und Auffangen durch die Kollegen „ gespielt. Da stellt man sich auf ein hohen Tisch  
( oder Baumstamm ) oder ähnliches, und lässt sich dann nach hinten einfach umfallen, im Vertrauen, die unten stehenden 3 Kollegen fangen Dich auf. Einige in der Gruppe stiegen wie immer sofort mutig hinauf. Andere zögerten, warteten ab, wie es denn dem Ersten erging. Vielen fehlte das Vertrauen, dass die unten stehenden sein Gewicht nicht auffangen können. Ich erinnere mich an einen bestimmt 110 kg schweren Niederlassungsleiter. Er hatte ein echtes Problem und sagte: „Ich kann das nicht. Ich bin zu schwer. Er hatte aber auch Angst sich zu blamieren. Ihm fehlte es an Vertrauen, dass man ihn wirklich hält. Aber es gelang uns ihn zu überreden.
Nach dem überwinder der Angst vor dem ersten Schritt waren aber alle mit Feuereifer dabei. Sie entwickeln auf einmal eine Energie, von der sie vorher nichts geahnt hatten.  Und wollten es gleich noch mal wagen.
Sie erfahren, wie ihnen im Vertrauen neue Kräfte zukommen. 
„Man wächst mit seinen Aufgaben.“  - aber nur wenn wir Vertrauen ! Vertrauen und Mut wachsen genauso wie Muskeln nur dadurch, dass wir sie gebrauchen. Kein Mensch käme auf die Idee, seine schwachen Muskeln möglichst sparsam zu verwenden, damit sie nicht verbraucht werden.

Vielmehr wird er sie möglichst verschwenderisch gebrauchen, damit sie zulegen. Und viele von uns trainieren sie ja tagtäglich, damit sie mehr werden.

Bei den Muskeln leuchtet uns das sofort ein, aber sonst hat es diese Einsicht schwer in unserem Leben. Gerade wenn wir etwas weggeben sollen, ohne vorher die Garantie zu haben, dass wir etwas zurückbekommen. Viel näher ist uns oft die Angst, dass wir nach dem freigiebigen Austeilen mit leeren Händen dastehen. Das wir schlecht wegkommen, ungerecht behandelt werden, die anderen besser.
Viele wollen dabei gar nicht egoistisch sein. Viel lieber würden sie ja helfen. „Schön wär‘s“, sagen sie, „aber leider geht das nicht.
Denn heute ist sich jeder selbst der Nächste, und darum muss ich meine Zeit, mein Geld, meine Liebe für mich behalten, sonst gehe ich selbst leer aus.“ 
So wird auch eine zwischenmenschliche Sparrunde ausgerufen: das „Wir-müssen-den-Gürtel-enger-schnallen“ gilt auch bei der Nächstenliebe. Und die Logik des Geldes — „Du kannst den Euro nur einmal ausgeben“ — macht sich nicht nur im Geldbeutel, sondern auch in unserem Herzen breit. Doch ein altes Sprichwort sagt: Geiz ist der Tod der Liebe.
Jesus z.B. hingegen fängt an, das knappe Brot großzügig zu verschenken. Und je mehr er verteilt, desto mehr wächst hinzu.

Alle werden satt, und am Ende sind sogar noch zwölf Körbe voller Brot übrig. Völlig überraschend wird aus Knappheit und Hunger Freude und überfließende Fülle. Die, die am Anfang meckern über die Knappheit, müssen am Ende Körbe schleppen, um den Segen des Zuvielen einzusammeln.
 
Was ist nun das besondere neben dem Wunder der Vermehrung ?
Jesus spricht ein Dankgebet über den Broten. 
Er übergibt quasi die Brote Gott. 
Er ruft Gottes Kraft auf diese kärglichen fünf Brote herunter. 
Können Sie sich vorstellen, dass wir unsere Steuerrückerstattung, die diesmal geringer als sonst ausfiel, trotzdem dankbar vor Gott bringen? 
Trauen wir uns, einen niedrigen  Rentenbescheid voll Dankbarkeit in unser Gebet einzuschließen? 
Können wir uns Politiker vorstellen, die einen Dankgottesdienst angesichts gesunkener Steuereinnahmen feiern, ( auch wenn die Steuern immer noch genug sind ) ? 
Nicht einmal unsere Landeskirche ist in der Lage, sich über die eingehenden Kirchensteuermittel zu freuen, obwohl die Situation momentan ja noch nicht wirklich schlecht ist.

Wir schauen wie die Jünger auf den Mangel und legen dann resigniert die Hände in den Schoß. Wir lesen Statistiken des letzten Jahres: Schon wieder sind einige aus unserer Gemeinde ausgetreten. Und denken „Kirche muss einladend sein. Jeder müsste überzeugender von seinem Glauben erzählen — jeder und jede aus der Gemeinde“, sagen einige, „aber das will sowieso keiner hören; außerdem können wir das auch gar nicht.“ 

Wir trauen uns nichts zu, und unsere Gaben und Begabungen verkümmern vielleicht. 
Es kommen viele nachvollziehbare Bedenken auf den Tisch: „Ich kann nicht so gut reden.
Oder ich hab zu wenig Zeit. Ich bin dafür nicht geschaffen, ich seh nicht so gut aus, kann nicht vorne stehen, nehmt doch lieber einen anderen.
Und wenn Gegenargumente kommen — ist dann mein Glaube überhaupt fest genug?“ — so entsteht dann Resignation entsteht: „Da können wir sowieso nichts machen.“ Doch  statt über unsere begrenzten Möglichkeiten zu lamentieren, könnten wir die Sache doch einfach mit Vertrauen angehen.
Mit Gottvertrauen:„ Da stehe ich mit meiner Aufgabe —  Gott gib mir die Kraft, die ich brauche. 
Wie du damals das Brot vermehrt hast, 
gib  auch mir die nötigen Talente

Beim Bichofsbesuch kürzlich haben wir uns in Schönberg natürlich sehr mit Dietrich Bonhoeffer beschäftigt.
Dietrich Bonhoeffer hat so gelebt und sein Vertrauen auch so ausgedrückt:
 „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft gibt, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“
Immer wieder gibt es solche Anfänge auch bei uns.
In der Gesellschaft wie in der Kirche. 

Wenn Konfirmanden gefragt werden, ob sie den KonfiKurs weiterempfehlen würden, antworten die meisten mit Ja. Wenn zum Geburtstag eine schöne Karte im Briefkasten liegt oder ein freundlicher Mensch zu Besuch kommt, freuen sich fast alle.

Wenn wir bei einer Wanderung jemand kennenlernen, entsteht manchmal dabei sogar ein tiefes Gespräch, - und umso häufiger, je mehr ich mich traue, mit dem Wenigen, was ich zu geben habe, zu wirken. Das zu geben, was da ist. Vielleicht sogar dafür zu beten.  Das kostet sicher manchmal Überwindung, aber es stärkt im Glauben und im Leben.

Dietrich Bonhoeffer sagt es so: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“
Amen